Analyse: Nichts für schwache Nerven - Börsen 2011

Frankfurt/New York (dpa) - Eine Staatspleite in Euroland - dieses Schreckensszenario hatte die Aktienmärkte 2011 fest im Griff. Vor allem im Sommer mussten die Anleger schwitzen: Der deutsche Leitindex Dax verlor binnen drei Monaten satte 25 Prozent.

Seitdem wurden die Ausschläge zwar weniger heftig und zwischenzeitlich erholten sich die Kurse sogar wieder ein wenig. Doch unter dem Strich büßte der Index mit den 30 wichtigsten börsennotierten Unternehmen bis zum Jahresende 15 Prozent ein.

Nun ist die bange Frage: Wie geht es 2012 weiter? Die Sorgen um weitere Rückschläge in der Eurozone bleiben. Gleichzeitig herrscht angesichts der bis dato noch robusten Wirtschaftslage in Deutschland aber auch Optimismus. Analysten sehen den Dax sogar klar im Plus. Doch Vorsicht: So argumentierten sie auch Ende 2010 - und es kam alles ganz anders.

Zunächst schien die Welt tatsächlich in Ordnung: Abgesehen vom Börseneinbruch nach Erdbeben, Tsunami und Atomkatastrophe in Japan ging es in den ersten Monaten des Jahres 2011 aufwärts. Bis auf 7528 Punkte kletterte der Dax im Mai. Die dramatische Talfahrt setzte dann Ende Juli/Anfang August ein: Neues Sparpaket für Griechenland, Aufkauf von italienischen und spanischen Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank und Sorgen um die Verfassung der europäischen Banken führten zum Crash auf Raten.

Allein am 18. August verlor der Dax 5,82 Prozent - der größte Tagesverlust seit November 2008. Die Erinnerungen an die damals schicksalhafte Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers kamen hoch.

Jede Spekulation rund um die Rettung der pleitebedrohten Euroländer sorgte für ein hektisches Auf und Ab an den Märkten. Hinzu kam die Furcht vor einem weltweiten Wirtschaftsabschwung. Als „Trio Infernale“ bezeichnete Robert Halver, Kapitalmarktexperte bei der Baader Bank, die unselige Gemengelage aus Schuldenkrise bei Staaten und Banken sowie politischer Krise.

Europas Regierungschefs lieferten kein gutes Bild in jenen Tagen ab, blieben sie doch handfeste Lösungen schuldig. Selbst die Investoren an der Wall Street, die sich sonst nur am Rande um Europa scheren, wurden unruhig. Nicht die US-Börsen gaben den Takt vor und Europa hechelt hinterher - plötzlich war es andersherum.

Über Wochen beherrschte die Euro-Schuldenkrise die Titelseiten der großen Zeitungen wie der „New York Times“, im US-Wirtschaftsfernsehen häuften sich die Schalten nach Frankfurt oder London. „US-Investoren bekommen gerade sozusagen einen Nachhilfekurs in Sachen Europa“, stellte Goldman-Sachs-Chefsvolkswirt Jan Hatzius fest. „Die meisten dürften sich bislang keine Gedanken darüber gemacht haben, wie die Entscheidungen in der EU genau ablaufen.“

Vielleicht hing es auch ein wenig mit der Wirtschaftslage in den USA zusammen. Die Arbeitslosigkeit ist weiter hoch, und auch den Politikern in Washington wachsen die Schulden über den Kopf. „Ein stärkerer Schock in Europa könnte auch in den USA zur erneuten Rezession führen“, warnte Hatzius im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Über das Jahr fuhr der US-Leitindex Dow Jones Achterbahn und schwankte von rund 10 400 bis 12 900 Punkte. In den letzten Handelstag des Jahres ging der Index mit einer versöhnlichen Vorgabe von 12 287 Punkten - sechs Prozent mehr als zu Jahresbeginn.

Für Deutschland erwarten Analysten, dass der Dax bis Ende 2012 im Schnitt auf 6680 Punkte zulegen dürfte - das wäre ein Plus von immerhin rund 14 Prozent im Vergleich zu Ende 2011. Ihren Optimismus begründen die 20 von der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX befragten Fachleute mit der robusten deutschen Wirtschaft und fehlenden Anlagealternativen.

Die Experten hatten vor einem Jahr allerdings ganz ähnlich argumentiert. Damals sagten sie dem deutschen Leitindex ein Jahresplus von rund 9 Prozent auf etwa 7560 Punkte voraus. Tatsächlich aber schloss der Dax dieses Jahr aber bei 5898,35 Punkten.

Die Ängste der Investoren scheinen also gerechtfertigt. Sie nehmen auf der Suche nach sicher erscheinenden Anlagemöglichkeiten mittlerweile sogar leichte Verluste wissentlich in Kauf: Gerade erst hat der Euro-Verweigerer Dänemark frisches Geld am Kapitalmarkt aufgenommen - und muss am Ende weniger zurückzahlen, als die Anleger dem Land geliehen haben. Eine negative Rendite, daran kann sich kaum ein Börsianer erinnern. Der Fall zeigt: Alte Regeln gelten an den Märkten nicht mehr. 2012 wird spannend.