Analyse: Platzeck hinterlässt seinem Nachfolger große Schuhe

Potsdam (dpa) - Es ist nicht das erste Mal, dass in Brandenburg ein Regierungschef blitzartig abtritt. Vor elf Jahren, 2002, war es Manfred Stolpe, der auf einem SPD-Parteitag in Wittenberge nach fast zwölf Jahren im Amt des Ministerpräsidenten seinen Rücktritt ankündigte.

Jetzt macht es ihm sein Nachfolger Matthias Platzeck nach - wenn auch unter völlig anderen Voraussetzungen. Während Stolpe - damals 66 - nach ebenso gründlicher wie geheimer Vorbereitung das Feld räumte, beugt sich Platzeck offensichtlich seiner angeschlagenen Gesundheit, dem Rat von Ärzten, Freunden und der Familie.

Stolpe hatte früh in Platzeck den politischen „Menschenfischer“ erkannt und ihn über Jahre als Erben der Macht im Land zwischen Elbe und Oder aufgebaut. Und tatsächlich erfüllte der gebürtige Potsdamer über elf Jahre die in ihn gesetzten Erwartungen. Mit ihm als Spitzenkandidaten gewannen die Sozialdemokraten seit 2004 Landtagswahl um Landtagswahl und regierten in wechselnden Koalitionen. War es von 1999 bis 2009 ein Bündnis mit der CDU, so gab Platzeck danach der Linken den Vorzug.

Sein Rückzug ist eine Überraschung. Noch am Sonntag hatte die Staatskanzlei den Anschein erweckt, dass nach dem dreiwöchigen Urlaub des Regierungschefs alles seinen gewohnten Gang gehen würde. Und noch am Montagmorgen hieß es erst lapidar, der Ministerpräsident habe seine Amtsgeschäfte wieder aufgenommen.

Spätestens aber als er und Landtagsfraktionschef Ralf Holzschuher wenig später zu einer Sondersitzung von Parteivorstand und Fraktion am späten Nachmittag einluden, war klar, dass etwas passieren würde. Der Schlaganfall, den Platzeck im Juni erlitt, hat ihn stärker aus der Bahn geworfen als anfangs vermutet. Schon seit langem leidet der Regierungschef unter Bluthochdruck, und Schlaganfälle waren in der Familiengeschichte keine Seltenheit.

Ein Arzt habe jetzt schließlich zum möglichen Wochenpensum klar gesagt: „40-50 Stunden kannst Du gut und gerne arbeiten, aber 80 - vergiss es.“ Bei der Pressekonferenz am Abend machte Platzeck keinen Hehl daraus, wie schwer ihm der Abschied fällt. „Ich habe diese ganzen sechs Wochen mit mir gerungen.“ Schließlich habe er „Politik immer mit viel Lust und Leidenschaft gemacht“.

In einer Sondersitzung von Parteivorstand und Fraktion im Landtag wurden noch am Montagabend die personellen Weichen für die Zukunft gestellt: Platzecks Nachfolger als Regierungs- und Parteichef wird Innenminister Dietmar Woidke, dessen Platz Holzschuher einnimmt. Neuer Fraktionsvorsitzender wiederum soll der langjährige Wahlstratege und SPD-Generalsekretär Klaus Ness werden. Ihm folgt die Landtagsabgeordnete und Partei-Vize Klara Geywitz. Damit hofft die SPD-Spitze, sowohl die rot-rote Koalition stabil über die Runden zu bringen, als auch die Landtagswahl im Herbst 2014 siegreich zu bestehen.

Woidke ist ein alter Weggefährte Platzecks, der als vormaliger Agrarminister, SPD-Fraktionschef und jetzt Innenminister eng mit ihm zusammenarbeitete. Beide pflegen einen unverkrampften Umgang mit ihrer Umgebung und dem Wahlvolk. „Es ist die bisher größte Herausforderung in meinem Leben“, bemerkte Woidke zu seinem unverhofften Karrieresprung. Er fühlt sich jedoch dafür gerüstet.

Dem 52-Jährigen kommt zustatten, dass Rot-Rot die dicksten Brocken aus dem Koalitionsvertrag schon abgearbeitet hat: die Polizeireform mit harten Personaleinsparungen, ein Mindestlohngesetz für öffentliche Aufträge oder auch eine Energiestrategie unter vorläufiger Weiternutzung der umstrittenen Braunkohle. Ein ehrgeiziges Ziel bleibt die Sanierung des Landeshaushalts und da die Vermeidung neuer Schulden.

Ob für die seit 1990 in Brandenburg regierenden Sozialdemokraten künftig alles wie gewünscht läuft, bleibt offen. In Umfragen wehte ihr zuletzt wie zu Zeiten Stolpes 2002 ein scharfer Wind um die Nase. Wäre jetzt Landtagswahl, bliebe sie zwar mit 35 Prozent stärkste Kraft. Bei einer Bundestagswahl würde sie jedoch mit 31 Prozent einen Punkt hinter der CDU landen.

Mit Abstand bekanntester und beliebtester Politiker in Brandenburg ist Platzeck, den 93 Prozent der Wahlberechtigten kennen und - trotz aller Rückschläge - 61 Prozent positiv bewerten. Die Zustimmung zu ihm betrug allerdings schon mal 80 Prozent. Dennoch hinterlässt er seinem Nachfolger große Schuhe.