Analyse: Saar-Erfolg treibt Piratenpartei nach vorn
Berlin (dpa) - Nichts ist so erfolgreich wie der Erfolg. Nach dem Einzug in den saarländischen Landtag segeln die Piraten auch bundesweit mit Rückenwind. Dabei lassen sich die Piraten-Anhänger auch nicht von inhaltlichen Ungereimtheiten und Personalquerelen stören.
Die FDP-Fregatte versenkt, das Dickschiff der Grünen schon in Sichtweite. Der Raubzug der Piraten scheint unaufhaltsam. Zumindest im Forsa-„Wahltrend“ von „Stern“ und RTL erzielten die Politikneulinge nach dem Wahlerfolg im Saarland mit zwölf Prozent den höchsten Wert seit Gründung der Partei im Jahr 2006. Im INSA-„Meinungstrends“, der im Auftrag der „Bild“-Zeitung“ erhoben wird, liegen die Piraten zwar nur bei acht Prozent. Doch auch INSA sieht die Piraten in einem deutlichen Aufwärtstrend.
Dieser Erfolg erscheint sogar dem Führungspersonal der Piratenpartei unheimlich. Parteichef Sebastian Nerz versuchte über den Kurzmitteilungsdienst Twitter, seine triumphierenden Parteifreunde vom demoskopischen Höhenflug wieder auf den Boden zurückzuholen: „Umfragen sind Umfragen. Egal ob sie für uns positiv oder negativ sind. Arbeiten wir einfach weiter, okay?“
Die Untersuchungen zeigen, dass die Piratenpartei entgegen häufig geäußerter Vorurteile kein Sammelbecken von Computernerds und notorischen Urheberrechtsverletzern bilden, sondern aus allen politischen Richtungen Zulauf erhalten. „Sie sind keine Klientelpartei, sondern quasi eine Volkspartei im Mini-Format“, sagte Forsa-Chef Manfred Güllner. Die hohen Werte haben demnach auch einen ganz profanen Grund. Die Befragten solidarisieren sich mit den Erfolgreichen: „Dies passiert oft nach Wahlen: Verliert eine Partei, kommen bei einigen ihrer Anhänger alte Vorbehalte hoch, gewinnt sie, stabilisiert das die Wählerschaft“, sagte Güllner.
Die Sympathisanten der Piraten lassen sich auch nicht davon beirren, dass die Politikeinsteiger nicht überall gut aussehen. Der Streit unter den 15 Piraten im Berliner Abgeordnetenhaus konnte dank Twitter in allen Details in Echtzeit beobachtet werden. Der Landesvorsitzende Gerhard Anger trat im Februar genervt von seinem Posten zurück. Bundesparteichef Nerz wiederum verweigerte im einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ wiederholt eine Antwort auf die Frage, weil er keinen „Shitstorm kassieren“ wolle.
Und auch bei der Kür des Spitzenkandidaten für die Wahl in NRW wurde online schmutzige Wäsche gewaschen. Doch während Personalquerelen in anderen Parteien die Ergebnisse nach unten drücken, scheinen ähnliche Vorgänge bei den Piraten mit anderen Maßstäben bewertet zu werden.
Wie von einem gut gewachsten Segeltuch perlt von der Piratenpartei auch der Vorwurf ab, sie hätten nur ein einziges Thema. Die Piraten verhehlen nicht, dass sie der Widerstand gegen Netzsperren und der Kampf gegen ein veraltetes Urheberrecht eint. Und wenn Kreative und Künstler wie die 51 Tatort-Drehbuchautoren ihnen vorwerfen, sie wollten doch lediglich eine Umsonstkultur in den Rang eines Grundrechtes hieven, löst das auf Facebook, Twitter und Google+ nur eine breite Solidaritätswelle für die Politikneulinge aus. Die Piraten werden nicht müde zu betonen, dass sie entgegen allen Gerüchten auch ein Parteiprogramm haben, in dem beispielsweise das „Recht auf freien Zugang zu Information und Bildung“, ein bedingungsloses Grundeinkommen oder eine nachhaltige Umweltpolitik gefordert werden.
Die Reaktion der politischen Gegner auf den Piratenerfolg fällt höchst unterschiedlich aus. Christian Lindner, Spitzenkandidat der NRW-FDP, sagte in einem TV-Interview, er nehme zwar die Wähler der Piraten ernst, aber nicht „die Partei als Formation“.
Mehr Respekt vor der Organisationskraft der Piraten scheinen die CDU-Bundestagsabgeordneten Peter Tauber und Thomas Jarzombek zu haben. Sie gründeten in Berlin den Verein cnetz, um eine „bürgerliche und verantwortungsvolle“ Netzpolitik zu fördern. „Wir wollen dabei Werte und Normen im Zeitalter der Digitalisierung mit Leben füllen, die sich für unser Land als förderlich und segensreich erwiesen haben.“ Tauber und Jarzombek haben aber dabei nicht nur die Piraten im Visier, sondern auch Internet-Skeptiker aus den eigenen Reihen wie den Bundestagsabgeordneten Ansgar Heveling, der sich mit einem Gastbeitrag für das „Handelblatt“ zum Urheberrecht zahllose hämische Kommentare in den Sozialen Netzwerken zugezogen hatte.