Analyse: Schlimme Nachricht holt Schavan in Südafrika ein

Berlin (dpa) - Nun ist es amtlich: Die Universität Düsseldorf entzieht nach Plagiatsvorwürfen der obersten politischen Repräsentantin von Bildung und Forschung in Deutschland den Doktortitel.

Zwar wird Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) jetzt mit einer renommierten Anwaltskanzlei gegen die Entscheidung klagen. Doch es gilt eher als unwahrscheinlich, dass sie sich bis zum Ende eines möglicherweise langwierigen Verfahrens im Amt halten kann. Nach Ex-Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ist Schavan das zweite Kabinettsmitglied in der Regierung von Angela Merkel (CDU), das den Doktortitel verliert.

Nicht nur für Schavan, auch für die Kanzlerin wäre das Verfahren im nahenden Wahlkampf eine schwere Hypothek. Aus den Koalitionsfraktionen Union und FDP erhielt Schavan zwar gleich noch am Dienstagabend Schützenhilfe. CDU/CSU-Fraktionsvize Michael Kretschmer sprach von einer „politisch motivierten Kampagne gegen eine sehr erfolgreiche Bundesforschungsministerin“. Und der FDP-Bildungspolitiker Patrick Meinhardt betonte, bis zum Abschluss einer gerichtlichen Klärung gelte weiter die Unschuldsvermutung. Doch es ist eigentlich nur eine Frage der Zeit, wie lange sich Schavan und Merkel gegen Rücktrittsforderungen auch aus der Wissenschaftsszene stellen können.

Die Nachricht ereilte Schavan am Dienstagabend in der südafrikanischen Regierungshauptstadt Pretoria - 8800 Flugkilometer von Düsseldorf entfernt. Das neun Monate laufende, zähe und quälende Plagiatsverfahren um ihre 1980 eingereichte Dissertation „Person und Gewissen“ hat bei Schavan deutlich Spuren hinterlassen. Gleichwohl wollte sie politische Handlungsfähigkeit zeigen und trat trotz der drohenden Entscheidung aus Düsseldorf die lange vorbereitete Reise nach Südafrika an.

In Düsseldorf blickte Professor Bruno Bleckmann scharf in die Kameras, bevor er die Entscheidung verkündete. Regungslos blieben seine Gesichtszüge, als der Vorsitzende des Rats der Philosophischen Fakultät an ein Pult vor dem Dekanat trat. Sechs Stunden hatten 15 stimmberechtigte Mitglieder des maßgeblichen Gremiums unter Bleckmanns Vorsitz über den 33 Jahre alten Doktortitel von Schavan beraten. Kurz glitt der Blick des Althistorikers über die wartenden Journalisten in dem Betonbau auf dem Uni-Campus.

Dann setzte er mit fester Stimme zu seinem vernichtenden Urteil über die Dissertation an, die Schavan im Alter von 24 Jahren eingereicht hatte. Der Rat sehe den „Tatbestand einer vorsätzlichen Täuschung durch Plagiat“ als erwiesen an. Weder Verjährung lässt die Uni gelten noch das Argument, es müsse für ihre Arbeit ein anderes Plagiatsverständnis als heute angewendet werden.

Seit Jahren ist bekannt, dass bei der Bewertung von akademischen Abschlüssen nicht nur von Bundesland zu Bundesland, sondern auch von Universität zu Universität und auch von Fakultät zu Fakultät große Unterschiede klaffen. Dass die Universität Düsseldorf allein „Herr des Verfahrens“ ist und auch bei der Prüfung ihre eigenen Kriterien und Zeitvorstellungen heranziehen kann, hat Schavan allerdings zum Teil auch selbst mitverursacht.

Mit der Grundgesetzänderung von 2006 wurde ausdrücklich dem Bund die Zuständigkeit für die Sicherung der Hochschulabschlüsse wie der Studienzulassung übertragen. Schavan versuchte zwar vergeblich, das alte, mit der Föderalismusreform nicht mehr benötigte Hochschulrahmengesetz des Bundes aufzuheben. An ein neues, bundesweit gültiges Abschluss- und Zulassungs-Rahmengesetz wagte sich die Bundesministerin dann nicht mehr heran. Sie fürchtete unangenehmen Widerstand - vor allem aus den unionsgeführten Bundesländern.

Über 25 000 Doktortitel werden derzeit pro Jahr an den Unis neu eingereicht. Über Ablehnungen, Plagiate oder Täuschungsversuche bei Forschungsarbeiten wird nirgendwo Buch geführt. Es gibt nur Schätzungen. Gelegentlich sickert durch, dass eine abgelehnte Arbeit anderswo eingereicht wurde. Handelt es sich nicht um prominente Plagiatsfälle, wie etwa der des CSU-Nachwuchsstars Guttenberg oder der FDP-Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin, so werden Täuschungsversuche allenfalls dann publik, wenn sie vor dem Verwaltungsgericht landen.

Der Fall der Bundesbildungsministerin hat zumindest in einem Teil der Wissenschaft Forderungen ausgelöst, dass zur Sicherung der Promotionsqualität künftig mehr getan werden muss - und auch fakultätsübergreifende Standards erforderlich sind. Kommt es in der Wissenschaft nicht zu einer übergreifenden Verständigung, wird nach der Fülle der prominenten Fälle der Gesetzgeber in der nächsten Wahlperiode gefordert sein.