Analyse: Schwüle macht Hitze unerträglich
Offenbach (dpa) - Beim Deutschen Wetterdienst (DWD) häufen sich dieser Tage die Beschwerden übers Wetter. „Wann wird es endlich kühler?“ sei die häufigste Frage in den Mails der Bürger, sagt Meteorologe Lars Kirchhübel.
Natürlich können die Offenbacher keine Wünsche erfüllen, und sie versprechen vorerst keine Besserung. Wie die meisten Menschen in Deutschland schwitzt auch „Klima-Michel“ und fühlt sich zunehmend unwohl. Der virtuelle Durchschnittsmensch des DWD leidet in diesen Tagen unter gefühlten 38, 39 oder sogar 40 Grad, obwohl das Thermometer zeigt um die 35 Grad anzeigt. Zur objektiv messbaren Temperatur kommt nämlich nun Feuchtigkeit. Es wird schwül. Der Körper schwitzt wegen der Hitze - bei Trockenheit ist das eine gute Regulierung, die bei Wind noch besser funktioniert.
Nun aber kann die Luft das Wasser aus den Poren der Haut nicht mehr aufnehmen. Es gibt einen Stau. Wie ein richtiger Mensch aus Fleisch und Blut zeigt „Klima-Michel“ höchste Belastung und Missempfinden an. „Die gefühlte Temperatur kann etliche Grade über der gemessenen liegen“, sagt Gerhard Lux vom DWD.
Oder auch darunter: Auf der spanischen Ferieninsel Mallorca werden derzeit wie in Deutschland 35 Grad im Schatten gemessen. Dort betrage die gefühlte Temperatur aber nur 25 Grad, sagt Lux. Grund: Die Luft ist trocken, und es weht ein Wind. Das entlaste den Körper, er könne die Wärme abgeleiten: „Der Mensch fühlt sich wesentlich wohler.“
Mit dem „Klima-Michel“ haben die Meteorologen ein Computermodell entwickelt, das das thermische Empfinden eines Mannes in Celsius-Graden ausdrückt. Die DWD-Spezialisten haben sich dafür einen 1,75 Meter großen, 75 Kilo schweren und 35 Jahre alten Beispielmann ausgedacht. Seine Daten füttern den Computer, der Michels Wärmehaushalt bewertet und in Grad Celsius ausdrückt.
Gefühlte und gemessene Temperatur stimmen nach Angaben der DWD-Experten nur dann überein, wenn man sich mit angemessener Kleidung bei mittlerer Luftfeuchtigkeit und Windstille langsam im Schatten bewegt. In der Sonne und bei hohem Wasserdampfgehalt der Luft wird die Temperatur als höher und belastender empfunden. Dann nämlich ist der Wärmehaushalt des menschlichen Körpers aus dem Gleichgewicht, die Wärmeableitung kommt ins Stocken.
In den nächsten Tagen wird sich diese Belastung nach Erwartungen der Meteorologen noch verstärken: Das auf die Erde fallende Wasser aus den Gewittergüssen werde in der andauernden Hitze schnell verdunsten und die Luft noch feuchter machen. Waschküchenwetter. „Wir erwarten täglich Gewitter“, sagt Meteorologe Kirchhübel. Wo genau, lasse sich nur schwer vorhersagen. Aber vermutlich wird es alle Regionen Deutschlands treffen.
Vor den Gewittern herrschten noch recht erträgliche Verhältnisse: Die relative Luftfeuchtigkeit sei im Westen von 30 Prozent auf 80 bis 99 Prozent gestiegen, nachdem am Mittwoch die ersten die Regengüsse durchgezogen waren. „Das fühlt sich an wie in den Tropen“, sagt Kirchhübel. Zur selben Zeit betrug die Luftfeuchtigkeit im Osten noch 23 bis 30 Prozent - dort sei in manchen Regionen seit Monatsanfang noch kein Tropfen Regen gefallen.