Analyse: Staatspleite kann auch Neuanfang sein

Buenos Aires/Berlin (dpa) - Nach schwerer Rezession hatte Argentinien 2001 die Zahlungsunfähigkeit erklärt. Inzwischen wächst die Wirtschaft rasant. Das südamerikanische Land wird vielerorts als Vorbild für Griechenland gesehen - allerdings eines mit Licht und Schatten.

Vor knapp zehn Jahren erklärte sich das südamerikanische Land zahlungsunfähig. Heute wächst die Wirtschaft wieder im Eiltempo, im Staatshaushalt gibt es einen Überschuss. Die Bilanz scheint positiv.

Doch der Preis war hoch. Denn die Pleite verlief ungeordnet, löste blutige Unruhen im Land aus, Bankenchaos und bis heute dauernde Rechtsstreitigkeiten mit verärgerten Gläubigern. Viele räumten danach Fehler ein, auch die internationalen Organisationen. Deshalb wird Argentinien nicht nur als Erfolgsrezept, sondern auch als Warnung gesehen.

Die Auslandsschulden von damals umgerechnet 169 Milliarden Euro konnten das Land Ende 2001 nicht mehr bedienen, in zwei Wochen lösten sich vier Staatschefs nacheinander im Amt ab, Arbeitslosigkeit und Proteste erreichten ein kritisches Niveau.

Zu zwei Umschuldungen, 2005 und 2010, kam es danach. Laut Wirtschaftsminister Amado Boudou einigte sich Argentinien mit 92,4 Prozent der privaten Gläubiger. Den Angaben zufolge büßten sie mehr als 30 Prozent ihrer Forderungen ein. Die Kredite des Internationalen Währungsfonds (IWF) tilgte die argentinische Regierung unter Néstor Kirchner mit Devisenreserven.

Noch steht aber eine Einigung Argentiniens mit staatlichen Gläubigern im sogenannten Pariser Club aus. Dort sieht sich Argentinien mit Forderungen von 6,5 Milliarden Dollar konfrontiert.

Der IWF hatte versucht, die Pleite abzuwenden, indem er Argentinien 20 Milliarden Dollar zusagte, um die Wirtschaft inmitten einer längeren Rezession zu „panzern“ - verknüpft mit strengen Sparauflagen. Das hohe Haushaltsdefizit und eine steigende Kapitalflucht durchlöcherten diesen Schild jedoch schon bald.

Die Regierung fror im November 2001 die Bankkonten von Millionen Bürgern ein. Als die Situation gänzlich außer Kontrolle geriet, flüchtete Präsident Fernando de la Rúa am 20. Dezember 2001 per Hubschrauber aus dem Regierungsgebäude, nachdem er seinen Rücktritt eingereicht hatte.

Zum Vergleich Argentiniens mit Griechenland sagte jüngst Staatschefin Cristina Fernández de Kirchner: „Man sieht den Kranken mit den gleichen Symptomen und will ihm das Medikament vorschreiben, dass den Kranken getötet hat.“. Und sie warnte: „Das Rezept der Abschaffung von Stadtverwaltungen, der Senkung von Gehältern, ist das ewige Rezept der internationalen Organisationen, die nicht verstehen, was in der Welt und den Gesellschaften geschieht.“

Die finanzielle Isolierung, der Argentinien nach der Krise ausgesetzt wurde, dauert bis heute noch an. Die wenigen Auslandskredite, die der Staat aufnimmt, müssen mit Zinssätzen von über 10 Prozent bezahlt werden. Bisher kann das Land dies stemmen, weil viele Devisen durch den Soja-Exportboom nach China die Reserven und den Binnenmarkt stärken.

Doch die Isolierung hat auch ihre guten Seiten, denn sie hält und hielt Argentinien fern von den desaströsen Folgen der internationalen Finanzkrise.

„Wir müssen heute nicht mehr jede Minute auf den Kurs der Bonds (Staatsanleihen) schauen, wie meine Vorgänger im Amt“, erklärte gelassen Finanzsekretär Hernán Lorenzino in einem Interview in der Wochenzeitung „Miradas al Sur„ vom vergangenen Sonntag.

Fast chinesische Wachstumsraten - 8,8 Prozent im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum -, eine flexible Währungspolitik und der Überschuss im Staatshaushalt garantieren trotz des noch beschränkten Zugangs zu den internationalen Finanzmärkten Argentinien eine stabile Konjunktur.