Analyse: Teures Professoren-Urteil aus Karlsruhe
Berlin/Karlsruhe (dpa) - Es ist ein Urteil mit teuren Folgen. Heute schon stöhnen die Länder angesichts weiter steigender Studentenzahlen über die wachsenden Hochschulausgaben.
Jetzt werden sie nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts auch noch die Gehälter vieler Professoren kräftig anheben müssen. Die Botschaft, die die Kultusminister dieser Tage den Finanzministern zukommen ließen, war klar und unmissverständlich: Ein Ende des aktuellen Studienanfängerbooms ist entgegen früherer Prognosen nicht vor 2019 in Sicht. Die Folge: Die Länder werden an den Hochschulen deutlich mehr Personal einstellen müssen - trotz Schuldengrenze, Haushaltsrisiken und dem Ziel, die Neuverschuldung bis 2020 auf Null zu senken.
Doch mit dem Urteil dürften die Personalausgaben der Länder bald noch weiter steigen. Auch wenn es im konkreten Fall nur darum ging, ob Professoren der Besoldungsgruppe W2 in Hessen korrekt bezahlt werden - auf die Grundprinzipien dieser Entscheidung werden sich bundesweit Hochschullehrer berufen, wenn sie mehr Geld fordern.
Damit dürfte die Professorenbesoldung insgesamt auf den Prüfstand kommen - und zwar nicht nur in den Bundesländern, die ihren Hochschullehrern heute eine besonders geringe Grundvergütung zahlen. Neben Hessen sind das vor allem Berlin, aber auch Brandenburg, Bremen und das Saarland.
Viele Länder stehen angesichts steigender Bildungsausgaben heute schon mit dem Rücken zur Wand. Mit der Föderalismusreform von 2006 hatten sie sich für die Bildung die alleinige Gestaltungskompetenz erstritten. Mit dem Kooperationsverbot wollten sie den Bund völlig außen vor halten. Dass jetzt einige Länder über den Bundesrat eine erneute Grundgesetzänderung anstreben, um dauerhafte Finanzhilfen des Bundes für die Bildung zu ermöglichen, ist ein Ergebnis dieser schwierigen Haushaltslage.
Seit Jahren leiden die deutschen Hochschulen an einer zu geringen Grundfinanzierung. Das war bereits das Problem bei der Einführung der W-Besoldungsstruktur 2005. W steht für Wissenschaft. Die Bezüge neueingestellter Professoren sollten sich fortan aus zwei Komponenten zusammensetzen, dem Grundgehalt und veränderbaren Leistungszulagen, etwa aus Anlass von Berufungs- und Bleibeverhandlungen, für Spitzenleistungen in Forschung und Lehre, für erfolgreiche Nachwuchsbetreuung oder bei Übernahme von Funktionen in der Selbstverwaltung, etwa als Rektor oder Dekan.
Die Höhe dieser Leistungszulagen ist nach oben offen - und kann im Einzelfall auch ein Mehrfaches des eigentlichen Grundgehaltes betragen. Das Problem: Wirbt eine Hochschule einen Spitzenprofessor mit einer extrem hohen Zulage an, bleibt für die anderen Kollegen kaum noch etwas übrig. Denn das Personalbudget einer Hochschule ist insgesamt begrenzt.
Mit der Entscheidung stärkt das Gericht jetzt das sogenannte Alimentationsprinzip: Die im Grundgesetz verankerte Regelung, dass der Staat Beamte nicht nach konkreter Leistung bezahlt, sondern sie alimentiert - ihnen also einen Lebensstandard ermöglichen muss, der ihrem Amt entspricht. „Wie der vorliegende Fall zeigt, ist das Alimentationsprinzip kein zahnloser Tiger“, stellte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle klar. „Mit dem Professorenamt sind vielfältige und anspruchsvolle Aufgaben in Forschung und Lehre sowie administrativer Art verbunden“, betonten die Richter. Angesichts des langen Berufswegs bis zu einer Professur sei ein Grundgehalt, das in etwa dem eines 40-jährigen Oberstudienrats entspricht, nicht angemessen.
Vier Richter des Zweiten Senats sind übrigens selbst Professoren. Deshalb - und wegen „mancher süffisanter Bemerkung in den Medien“ - sah sich Voßkuhle zu einer Klarstellung veranlasst: Die Professoren auf der Richterbank profitieren nicht von der Entscheidung. Sie wurden vor der Besoldungsreform eingestellt.