Analyse: Und wieder ein Haar in der Suppe

Potsdam (dpa) - Jens Bullerjahn ist ja selbst Gewerkschafter. In der IG BCE, der Gewerkschaft, die für die Chemieindustrie gerade ein kräftiges Lohnplus ausgehandelt hat.

Entsprechend freundlich ist der Ton, auch wenn der SPD-Politiker hier in Potsdam zwar neben Verdi-Chef Frank Bsirske, aber doch auf der anderen Seite steht. Am Ende verkünden sie zusammen einen Tarifabschluss für die rund 800 000 Beschäftigten der Länder, unerwartet schnell und ohne allzu viele harte Worte. Die Länder zeigen sich zufrieden, viele ihrer Angestellten auch - nur die Lehrer sind enttäuscht, erbost, wieder einmal.

Die harten Fakten klingen so: 2,1 Prozent mehr Geld zum 1. März 2015, ein Jahr später weitere 2,3 Prozent, mindestens aber 75 Euro. Keine Kürzung bei der betrieblichen Altersversorgung bis auf leicht höhere Zusatzbeiträge. Für Bsirske „unterm Strich akzeptabel“. Ursprünglich hatten die Gewerkschaften ein Plus von 5,5 Prozent gefordert. Vor allem dass sie die Altersvorsorge stabil gehalten haben, werten sie als großen Erfolg.

Bullerjahn, der Sozialdemokrat, räumt ein, der Abschluss verlange den Beschäftigten einiges ab, vor allem wegen der Zusatzbeiträge. „Das wissen wir auch.“ Es ist ein Geben und Nehmen: Entlastet ihr mich bei der Altersvorsorge, gebe ich euch mehr Lohn. Denn gerade die betriebliche Altersversorgung hatte den Ländern Sorge gemacht. Sie belastet die Kassen, weil die Menschen immer älter werden und die Zinsen so niedrig sind.

Das können nicht alle Länder gleich gut verkraften. Zwar schlossen sie das vergangene Jahr insgesamt mit einem Überschuss von 1,9 Milliarden Euro ab. Ende 2014 standen sie nach Angaben des Statistischen Bundesamts aber auch mit 621,9 Milliarden in der Kreide. Der Unterschied zwischen finanzschwachen und „reicheren“ Ländern ist groß, die Schuldenbremse immer im Hinterkopf.

Die Schlussrechnung des Tarifabschlusses bedeutet für die Länder - ohne Hessen, das nicht in der TdL ist - in diesem Jahr nun Mehrkosten von 650 Millionen Euro. Mit so einer Größenordnung hatten sie schon gerechnet. 2016 sind 1,5 Milliarden fällig, die man jetzt noch in die Haushalte einplanen kann. Machbar also. Einstimmig, so betont Bullerjahn dann auch, hätten sie dem Abschluss zugestimmt.

So weit, so gut. Wenn da nicht das Problem der rund 200 000 angestellten Lehrer wäre. Die bekommen zwar jetzt mehr Geld. Mit ihrem zentralen Wunsch, gleiche Bezahlung für Angestellte und Beamte, sind sie aber schon wieder abgeblitzt. Zum dritten Mal.

Bullerjahn hatte mehrfach angedeutet, er finde nicht gut, dass es für die Lehrer keinen einheitlichen Tarifvertrag gebe. Eine komplette Angleichung, wie die Lehrergewerkschaft GEW sie fordert, sei für die Länder aber einfach zu teuer. Das Kompromissangebot lehnte die Lehrergewerkschaft GEW ab. Die Länder hätten Ungleichheiten, Ungerechtigkeiten und Ungereimtheiten auch noch per Tarifvertrag festschreiben wollen, kritisiert Verhandlungsführer Andreas Gehrke erbost. Und betont gleich, die Lehrer seien nicht friedenspflichtig, könnten streiken.

Die anderen Gewerkschaften seien voll solidarisch, sichert Bsirske zu. Aber streiken, das müssten die Lehrer jetzt alleine. Sie könnten nicht erwarten, dass der Küstenschutz für sie auf die Straße gehe. Jeder in der GEW weiß, dass Verdi kaum Lehrer vertritt. Die Bereitschaft, für diese den Kopf hinzuhalten, hält sich in Grenzen.

Mit Erzwingungsstreiks in den Schulen ist es ohnehin so eine Sache. Zum einen gibt es bundesweit nur rund 200 000 angestellte Lehrer, dafür aber 650 000 verbeamtete. Letztere dürfen nicht streiken. Dass ganze Schulen dichtmachen müssten, wäre also unwahrscheinlich. Nur in Sachsen, Berlin und mit Abstrichen noch in Nordrhein-Westfalen, so heißt es in den Gewerkschaften, würde man wohl genügend angestellte Lehrer für einen wirkungsvollen Streik auf die Straßen bekommen.

Und dann sind da noch Abiprüfungen, Klassenfahrten, wichtige Phasen zu Schuljahresbeginn oder vor den Zeugnissen. Zeiten also, in denen streikende Lehrer bei Schülern und Eltern irgendwann wohl auch auf Unverständnis stoßen würden.