Analyse: Viele Opfer und einige Profiteure
Freetown/Kapstadt (dpa) - Auch in Liberia wollte Heineken wachsen. „Open your world“ (Öffne Deine Welt) war dort auf Werbepostern des niederländischen Bierbrauers zu lesen. Doch es kam anders: Inzwischen hat Ebola das Land isoliert, ebenso wie Sierra Leone und Guinea.
Die meisten Fluggesellschaften haben den Verkehr eingestellt, der Außenhandel ist zusammengebrochen, die Landwirtschaft steht vor dem Kollaps. Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds befürchten einen „katastrophalen“ Rückgang von Wirtschaft und Handel in diesen ohnehin fragilen westafrikanischen Ländern. Allein in Liberia könne im kommenden Jahr das Bruttoinlandsprodukt im zweistelligen Prozentbereich absacken, in Sierra Leone um fast 9 und in Guinea immerhin noch um 2,3 Prozent.
Liberias Handelsminister Axel Addy fordert deshalb raschere internationale Hilfe im Kampf gegen Ebola. „Wir befinden uns in einem Wettlauf gegen die Zeit“, sagte er. Die Epidemie habe alle Bereiche der Wirtschaft erfasst, die voriges Jahr noch um acht Prozent gewachsen war. Die Ausfuhr von Eisenerz und Latex, den beiden Hauptexportprodukten, sei fast zum Erliegen gekommen. Gefährdet sei auch die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln. Die Vorräte an Reis drohten Ende November auszugehen.
Ähnlich sieht es in Sierra Leone aus. Weite Teile des Landes wurden zu Quarantänezonen erklärt - in ihnen leben mehr als zwei Millionen Menschen. Bauern können ihre Produkte deshalb vielerorts nicht mehr auf die Märkte oder zu Zwischenhändlern bringen. „Diese Sachen verderben schnell, und wenn wir sie nicht verkaufen können, haben wir selbst bald nichts mehr zu essen“, sagt die Bäuerin Kadiatu Kamara im isolierten Distrikt Port Loko. „Unser Geschäft liegt am Boden, das bisschen Essen, das wir noch haben, ist bald aufgebraucht“, klagt der Kleinwarenhändler Alhaji Mansaray.
Jedoch gibt es in der Ebola-Krise nicht nur Verlierer. In Nigeria, dem mit mehr als 170 Millionen Einwohnern bevölkerungsreichsten Land Afrikas, boomt wegen Ebola der Online-Handel. Bei Jumia, dem größten E-Commerce-Unternehmen des Landes, haben sich die Auftragseingänge für Waren des täglichen Bedarfs seit dem Virusausbruch verdreifacht. Starke Zuwächse verbuchten auch die Konkurrenzfirmen Konga und Kaymu.
Zwar registrierte das Riesenland bislang nur acht der weit mehr als 3000 Ebola-Todesfälle in Westafrika. Aber die Schreckensbilder sterbender Menschen aus den Hauptstädten von Liberia und Sierra Leone, Monrovia und Freetown, hätten viele Nigerianer veranlasst, große Menschenansammlungen auf Märkten oder in Shopping Malls zu meiden, berichtete das Magazin „The Economist“. Die Online-Händler profitieren nach eigenen Angaben auch durch eine stark gestiegene Nachfrage nach Sanitär- und Desinfektionsmitteln.
Eine ganz besondere Sorte „Ebolagewinnler“ sind auch jene, die in dieser Situation gezielt auf Aktien oder Optionen von Unternehmen setzen, deren Umsätze durch die Krise steigen könnten. Anteilsscheine der kanadischen Biotech-Firma Tekmira Pharmaceuticals etwa sind in den vergangenen Wochen um mehr als 20 Prozent nach oben gegangen. Tekmira gehört zu jenen Unternehmen, die an Impfstoffen gegen Ebola arbeiten. Zehntausende Dosen hofft die Weltgesundheitsorganisation (WHO) bis spätestens Anfang 2015 bereitstellen zu können.
Beim Börsenbroker Lynx hieß es dazu, man drücke „natürlich weiterhin fest die Daumen, dass hier schon bald ein brauchbares, zuverlässiges und vor allem für die Bevölkerung günstiges“ Mittel auf den Markt komme. Die Tekmira-Aktie befinde sich „technisch noch immer in einer sauberen Aufwärtsbewegung“.
Skrupellos spekuliert wird sogar mit Rohstoffen und Nahrungsmitteln, sogenannten Futures. Diese dürften sich im Falle einer weiteren Ausbreitung der Epidemie rapide verteuern. Deutlich gestiegen ist etwa der Kurs von Kakao.
Was das mit Ebola zu tun hat, erklärt das „Wall Street Journal“ so: 60 Prozent der weltweiten Produktion komme aus den Ländern Elfenbeinküste und Ghana. Und die Elfenbeinküste, Ghanas Nachbar, habe unkontrollierte Grenzen zu den Ebola-Ländern Liberia und Guinea. Sollte die Krankheit die Kakao-Regionen erreichen, könne die Produktion einbrechen. „Das letzte Mal, als die Exporte aus der Elfenbeinküste zum Stillstand kamen - während einer Bürgerkriegsphase Ende 2010 und Anfang 2011 - gingen die Preise für Kakao-Terminkontrakte um bis zu 32 Prozent nach oben.“