Analyse: Waffengang gegen Syrien schwer durchsetzbar

London/Paris/Washington (dpa) - Wer Anfang dieser Woche auf den britischen Premierminister David Cameron und seinen Außenminister William Hague blickte, sah das Selbstbewusstsein in Person.

Großbritannien war das erste Land, das dem Regime von Machthaber Baschar al-Assad offen die Schuld zuwies für einen Giftgaseinsatz in der Nähe von Damaskus. Die Briten waren auch die ersten, die eine einstimmige Entscheidung des UN-Sicherheitsrates für einen Waffengang in Syrien nicht für nötig hielten. Mit seinem Optimismus für einen Kriegseinsatz schien der konservative Cameron auch das Zögern beim sozialistischen Staatschef François Hollande in Paris und bei US-Präsident Barack Obama in Washington überwinden zu können.

Wenige Tage später ist von der Entschlossenheit nicht mehr viel zu spüren. Die eigentlich als schwach eingestufte Opposition im eigenen Land bringt Cameron in allergrößte Nöte. „Es ist in moderner Zeit beispiellos, dass ein britischer Premierminister die Zügel seiner Außenpolitik aus der Hand gibt - ganz zu schweigen von Entscheidungen über Krieg und Frieden“, ätzte BBC-Politikchef Nick Robinson. Die Töne aus Paris, das - anders als beim Libyen-Einsatz vor zwei Jahren - diesmal ohnehin nicht in der ersten Reihe saß, werden immer leiser.

Und auch in den USA wächst die Kritik, in Syrien schnell zuzuschlagen. Vielen US-Politikern graut davor, voreilig und ohne handfeste Beweise gegen den Giftgaseinsatz des Assad-Regimes das Kommando für einen Militärschlag zu erteilen. Böse Erinnerungen an den Februar 2003 werden wach. Damals legte Außenminister Colin Powell einen denkwürdigen Auftritt vor dem UN-Sicherheitsrat hin, um einen Angriff gegen Diktator Saddam Hussein zu rechtfertigen. Mit Luftaufnahmen wollte er zeigen, dass im Irak Massenvernichtungswaffen gefunden wurden - was sich später als falsch herausstellte.

Umso lauter wird die Forderung an US-Präsident Barack Obama, sich vorab auch grünes Licht vom Kongress zu holen. Besonders Republikaner verlangen, dass ein Eingriff in Syrien vom Kongress legitimiert wird. 116 Abgeordnete, darunter 18 Demokraten, haben einen entsprechenden Brief an Obama unterzeichnet. Der Kongress, der sich in einer fünfwöchigen Sommerpause befindet, könne jederzeit wieder zusammenkommen, um über Syrien zu beraten, heißt es darin.

Kurioserweise sind es in den USA die Republikaner und in Großbritannien die Labour-Partei, die nun in Sachen Waffengang auf die Bremse treten. Diese beiden Parteien waren es, denen noch immer der Makel der mangelnden Rechtfertigung für den Irak-Einsatz anhaftet. Ex-Premierminister Tony Blair muss sich noch heute als „Bush's Pudel“ bezeichnen lassen, weil er damals dem US-Präsidenten George W. Bush vergleichsweise blind gefolgt war. Ähnlich wie in Frankreich sind auch in Großbritannien zwei Drittel der Bevölkerung gegen einen Militäreinsatz.

Auch wegen des plötzlichen britischen Zauderns kann es mit dem Zeitplan für einen Militärschlag eng werden. Bis Samstag kommen die UN-Waffeninspekteure aus Syrien zurück. Eine Parlamentsentscheidung in London auf Basis ihrer Befunde ist nicht vor Anfang nächster Woche zu erwarten. Am Dienstag bricht US-Präsident Barack Obama aber planmäßig bereits via Stockholm zum G20-Gipfel im russischen St. Petersburg auf. Dass Obama von russischem Boden den Schlag gegen Syrien verkünden wird, ist schwer vorstellbar.

Will Obama nicht allein auf weiter Flur stehen, wenn es um einen Militärschlag geht, den weder er selbst noch seine Opposition so richtig wollen, rückt plötzlich eine diplomatische Lösung wieder in den Bereich des Möglichen - zumal UN-Generalsekretär Ban Ki Moon ohnehin die Devise ausgab: „Give Peace a Chance!“ So betonen etwa französische Diplomaten immer wieder, dass die Spannbreite für eine „Reaktion der Stärke“ auch diplomatische Schritte einschließe.

Hollande selbst sprach am Donnerstag jenseits möglicher Reaktionen die Notwendigkeit einer „politischen Lösung“ an. Dabei baut der Staatschef auf die von Frankreich früh als legitime Vertretung des syrischen Volkes anerkannte und seit langem unterstützte oppositionelle Nationale Syrische Koalition. Deren Chef Ahmed Assi al-Dscharba konnte sich bei Hollande im Élysée-Palast erneut den Hinweis auch auf „materielle Hilfe“ abholen. Konkreteres gab es aber von Hollande wieder nicht.

Nach dem offensiven militärischen Vorgehen in Mali zu Jahresbeginn agiert die Regierung in Paris in Sachen Syrien bisher vergleichsweise zurückhaltend. Viele Kommentare der Medien lesen sich eher warnend. Die Bilder, als vor zwei Jahren Hollandes Amtsvorgänger Nicolas Sarkozy Hand in Hand mit Cameron im libyschen Bengasi den Sieg über das Gaddafi-Regime feierte, sind noch in guter Erinnerung - Libyen gilt heute wieder als Problemfall.