Angriff auf Sparer führt Euro-Retter in die Sackgasse
Brüssel (dpa) - In Brüssel herrscht wieder einmal Euro-Krise. EU-Währungskommissar Olli Rehn sucht mit Hochdruck nach Lösungen für das pleitebedrohte Zypern.
Ein Absturz der Mittelmeerinsel könnte die ganze Eurozone erschüttern, lautet die Befürchtung von Experten. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bricht vor dem Hintergrund solch düsterer Szenarien zu einem schon länger geplanten Besuch nach Moskau auf. Im Kreml dürfte das Thema Zypern am Donnerstag prominent zur Sprache kommen.
Das Scheitern der mit den Europartnern vereinbarten Zwangsabgabe auf Bankeinlagen im zyprischen Parlament bringt die Euro-Retter in eine gefährliche Bredouille. Wenn es nicht bald eine neue Abmachung für das Hilfspaket gibt, droht bei der Wiederöffnung der Insel-Banken eine Kunden-Ansturm.
Angesichts der Bilder von geschlossenen Geldhäusern und aufgebrachten Menschen macht sich Verunsicherung bei Sparern in ganz Europa breit. Was bedeutet die europäische Einlagengarantie von bis zu 100 000 Euro im Fall von Bankpleiten eigentlich noch? Auf viele Fragen gibt es keine Antworten.
Bei dieser dramatischen Lage verwundert die Sprachlosigkeit der Verantwortlichen. Der Finne Rehn sagte am Mittwoch eine länger Pressekonferenz zur Reform der Eurozone kurzfristig ab. Der neue Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem reagierte auf das Parlamentsvotum in Nikosia mit einer lapidaren Mini-Erklärung, wonach die Euroländer weiter bereit seien, das Krisenland mit zehn Milliarden Euro zu unterstützen.
Das heißt aber auch: Die Mittelmeerinsel, die gerade mal 0,2 Prozent zur Wirtschaftsleistung der Eurozone beiträgt, muss wie vereinbart zusätzliche 5,8 Milliarden Euro als Eigenbeitrag aufbringen. Sonst würde die Staatsverschuldung so stark ansteigen, dass Nikosia die Hilfs-Kredite auf Dauer nicht zurückzahlen könnte, meinen die Retter.
Brüssel wartet nun auf eine neue Offerte der bedrängten Regierung von Präsident Nikos Anastasiades. Dann könnte die Eurogruppe darüber entscheiden. Die Euro-Kassenhüter hatten Zypern bereits zugestanden, die Konten-Zwangsabgabe anders zu staffeln und Kleinsparer auszuklammern.
Die Sozialdemokraten im Europaparlament und andere werfen dem konservativen Anastasiades vor, die ungerechte Verteilung der Extraabgabe selbst ins Spiel gebracht zu haben. „Der zyprische Präsident muss jetzt einen realistischen Vorschlag machen, der eine Vermögenssteuer oder Finanztransaktionsteuer umfassen könnte, um Geld bei denen zu holen, die es sich leisten können“, meint Fraktionschef Hannes Swoboda. Auch die äußerst niedrigen Unternehmensteuern auf der Insel könnten weiter steigen.
Diplomaten bestätigen, dass der neu gewählte Staatschef am Rande des Verhandlungsmarathons in der vergangenen Woche darauf bestand, den Spitzensatz bei der „Solidaritätsabgabe“ auf 10 Prozent zu begrenzen - wohl in der Absicht, russischen und anderen Investoren nicht übermäßig vor den Kopf zu stoßen.
Den härtesten Kurs beim Zypern-Poker fuhren demnach der Internationale Währungsfonds (IWF) und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Sie pochten seit längerem auf einem nennenswerten Beitrag von Konteninhabern. IWF-Chefin Christine Lagarde wollte laut Tageszeitung „Le Monde“ (vom Mittwoch) Anlegern der beiden größten Banken des Landes Einbußen von bis zu 40 Prozent auferlegen.
Schäuble wollte sich nach dem Verhandlungen nicht für die genaue Ausgestaltung der Abgabe verantwortlich machen lassen - das sei Sache der Zyprer. Sein französischer Amtskollege Pierre Moscovici nimmt für sich in Anspruch, von Anfang eine Ausnahme zugunsten der Kleinsparer
befürwortet zu haben - und hat damit laut Diplomaten sogar Recht.