Argentinien nach der Pleite: „Die Welt geht weiter“

Buenos Aires/Rio de Janeiro (dpa) - Argentiniens Wirtschaftsminister Axel Kicillof war der Mann der Stunde. Der smarte 42-Jährige stand an vorderster Front im erbitterten Kampf gegen die „Aasgeier“, also die Hedgefonds, die Argentinien mit richterlichem Segen aus den USA in die Knie zwingen wollten.

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Argentinien blieb hart und schlidderte in die kalkulierte Staatspleite. Doch gab Kicillof an seine Landsleute schon aus New York die Devise aus: „Ihn könnt beruhigt sein. Morgen wird ein anderer Tag sein, und die Welt geht weiter.“

Ob die Argentinier das beruhigt, mag dahingestellt sein. Sicher ist: Die neue Staatspleite ist kaum mit dem Zahlungsausfall von 2001 zu vergleichen, nach der das öffentliche Leben nahezu kollabierte. Unsicher war am Donnerstag zunächst, wie die Merval-Börse in Argentinien reagiert.

Zum Auftaktgeschäft sank der Index aber zwischenzeitlich um mehr als sieben Prozent und gab damit die Vortagsgewinne schon mal zur Gänze ab. Allerdings wurden Unruhen und schwere soziale Verwerfungen, wie sie 2001 eintraten, nicht erwartet. Die Situation ist zu unterschiedlich.

Klar ist aber auch, dass sich die Lage mit dem Scheitern der Gespräche in New York nicht verbesserte. Denn die Kapitalmärkte richten sich stark nach dem Urteil der internationalen Ratingagenturen, selbst wenn diese wie etwa Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit Argentiniens „nur“ auf „teilweisen Zahlungsausfall“ einstufen.

Doch die Argentinier leiden im Alltag ohnehin unter der Wirtschaftskrise. Das Land ist in der Rezession und kämpft gegen eine Inflationsrate, die je nach Einschätzung bis zu 40 Prozent ausmacht. Das dürfte wohl nur von Venezuela getoppt werden, dessen Teuerungsrate 2013 über 55 Prozent lag.

Aber das Land ist im Gegensatz zu 2001 nicht wirklich insolvent. Denn Argentinien zahlt seine Schulden. Wie zum Beweis überwies Buenos Aires erst am Montag eine Millionen-Tranche an die Gläubiger-Länder des Pariser Clubs, mit dem sich Argentinien erst im Mai auf die Rückzahlung von Schulden in Höhe von 7,2 Milliarden Euro verständigt hatte. Die Außenstände sollen innerhalb von fünf Jahren beglichen sein.

Das sah 2001 ganz anders aus. Damals hatte der Staat kein Geld mehr, die Bürger waren unmittelbar betroffen. In den 90er Jahren litt Argentinien unter einer schweren Wirtschaftskrise. Bis 2001 waren fast 60 Prozent der Bevölkerung unter die Armutsgrenze gerutscht. Die Auslandsschulden von damals umgerechnet 169 Milliarden Euro konnte das Land Ende des Jahres nicht mehr bedienen. In zwei Wochen lösten sich vier Staatschefs nacheinander im Amt ab, die Arbeitslosigkeit stieg drastisch an.

Vor dem finanziellen Zusammenbruch sorgte eine starke Kapitalflucht für Probleme. Der Internationale Währungsfonds (IWF) verweigerte einen neuen Kredit, weil die Regierung nicht das angestrebte Null-Defizit erreicht hatte. Das spitzte die Situation weiter zu. Der damalige Wirtschaftsminister Domingo Cavallo ließ alle Bankkonten sperren, Privatpersonen durften nur 250 Pesos (gleich Dollar) pro Woche abheben. Die Bevölkerung ging auf die Straßen: Banken wurden blockiert, Supermärkte geplündert.

Davon ist Argentinien bei der jetzigen Staatspleite weit entfernt, und die Regierung müht sich, den „Default“-Makel kleinzureden. „Das ist kein Default. Default ist, wenn einer nicht bezahlt. Und Argentinien hat gezahlt“, so Kicillof. Doch Spott muss die Regierung ertragen. Der kam wie so oft von den Falkland-Inseln, die zum britischen Überseegebiet gehören und von Argentinien beansprucht werden. Dort machte in sozialen Netzwerken der Begriff „Defaultina“ die Runde. Das Wort setzt sich zusammen aus „Default“ und „Argentina“.