Athen demeniert „Plan B“ für den Flüchtlingspakt
Athen/Berlin (dpa) - Angesichts von Drohungen aus der Türkei, den Flüchtlingspakt mit der EU aufzukündigen, denkt man in Griechenland über Alternativlösungen nach. „Wir sind sehr beunruhigt. Wir brauchen in jedem Fall einen Plan B“, sagte der griechische Migrationsminister Ioannis Mouzalas der „Bild“.
Am Abend dementierte die griechische Regierung die Aussage per Pressemitteilung, während die Zeitung auf ihrer Darstellung bestand. Doch da hatte die EU-Kommission die Forderung nach einem „Plan B“ ohnehin schon weit von sich gewiesen.
„Die Kommission hat einen Plan A, und der besteht darin, den EU-Türkei-Deal zum Erfolg zu führen“, sagte eine Sprecherin in Brüssel. Zudem sei das Abkommen mit der Türkei lediglich ein Teil der europäischen Antwort auf die Flüchtlingskrise. Dazu gehörten genauso die Umverteilung von Flüchtlingen auf andere EU-Staaten, Finanzhilfen, das Projekt einer europäischen Grenz- und Küstenwache und viele weitere Maßnahmen.
Auslöser der Debatte war die Drohung des türkischen Außenministers Mevlüt Cavusoglu, die Regierung in Ankara müsse Abstand vom Flüchtlingspakt mit der EU nehmen, wenn es nicht zu einer Visaliberalisierung komme. „Wir stehen in vollem Umfang hinter diesem Abkommen“, versicherte Außenamtssprecher Martin Schäfer in Berlin. Er räumte zwar ein: „Wir glauben, dass das kein perfektes Abkommen ist.“ Beide Seiten seien gut beraten, die Absprachen umzusetzen.
In Griechenland wächst dennoch die Sorge vor einem erneuten Flüchtlingszustrom. „Zwar gibt es bisher keine Hinweise, dass die Türkei die Vereinbarungen mit der EU nicht einhält, aber wir wären töricht, wenn wir nicht besorgt wären“, sagte der Sprecher des griechischen Flüchtlingskrisenstabs, Giorgos Kyritsis, dem Fernsehsender Skai. Seit Dienstag waren in Griechenland 119 neue Flüchtlinge angekommen - insgesamt leben dort derzeit knapp 60 000 Flüchtlinge und Migranten.
Der EU-Flüchtlingspakt sieht vor, dass illegal auf den griechischen Inseln ankommende Flüchtlinge und Migranten zurück in die Türkei geschickt werden. Für jeden zurückgeschickten syrischen Flüchtling darf seit dem 4. April ein anderer Syrer aus der Türkei legal und direkt in die EU einreisen. Bis zu 72 000 Menschen könnten auf diese Weise Aufnahme in Europa finden.
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler, hatte in den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland rechtsstaatliche Probleme in der Türkei beklagt und eine Neubewertung des Flüchtlingsabkommens verlangt. Problematisch sei etwa die Asylantragstellung in der Türkei: „Wir wissen, dass die Bearbeitung der Asylanträge von Afghanen, Irakern und Iranern in der Türkei nicht nach rechtsstaatlichen Regeln erfolgt. Darüber kann die EU, darüber können auch wir nicht einfach hinwegsehen.“