Bahn im Weihnachtschaos: Eisregen bremst Züge aus
Berlin/Hannover (dpa) - Vereiste Oberleitungen und umgestürzte Bäume haben den Bahnverkehr an Heiligabend auf wichtigen Routen in Deutschland lahmgelegt. Auf dem Weg zu Familien und Freunden mussten Reisende oft stundenlang in überfüllten Zügen ausharren.
Riesenprobleme gab es auf der Strecke Berlin-Hannover. Die Ost-West- Achse zählt zu den wichtigsten Verbindungen im bundesweiten Bahnnetz. Dort war gegen Mittag in Sachsen-Anhalt nur ein Gleis frei, über das ICE-Züge in beide Richtungen gelenkt wurden. In der Nacht zuvor steckten auf der Strecke etwa 725 Reisende in fünf Zügen mehr als fünf Stunden lang fest.
Am frühen Freitagabend war die die Strecke Berlin-Hannover wieder auf beiden Seiten befahrbar, wie ein Bahnsprecher sagte. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass sich durch den Eisregen wieder Eiszapfen an den Oberleitungen bilden. Die Bahn sei in ständiger Bereitschaft, das Eis dann so schnell wie möglich zu entfernen. Störungen wurden auch aus der Gegend um Münster und der Strecke Hannover-Magdeburg gemeldet. Dort stürzten Bäume auf Leitungen und lösten Stromausfälle aus, die auch den Bahnverkehr in Mitleidenschaft zogen.
Über den ganzen Tag fielen etliche Züge fielen aus, viele andere hatten große Verspätungen. Das hatte einen Dominoeffekt: Die Störungen setzten sich bis ins Rheinland und nach Süddeutschland fort. Die meisten Züge waren übervoll, teilweise standen Passagiere sogar in den Wagen der 1. Klasse.
Mit Zusatzzügen hatte die Bahn auf wichtigen Nord-Süd- und West- Ost-Verbindungen verhindern wollen, dass sich das Verkehrschaos der vergangenen Tage fortsetzt. Viele Reisende waren in den Tagen zuvor extra vom Auto oder Flugzeug auf die Bahn umgestiegen.
Die Verbindung von Hannover nach Hamburg war am Morgen fünf Stunden gesperrt, weil Bäume in die Oberleitung gestürzt waren. Schnee und Eis führten auch in Mecklenburg-Vorpommern zu Verspätungen und Ausfällen im Zugverkehr.
Eisregen hatte kurz nach Mitternacht bei Stendal in Sachsen-Anhalt die Stromversorgung in der Oberleitung unterbrochen. Dadurch musste ein Intercity auf freier Strecke anhalten. Das gleiche Schicksal ereilte wenig später vier ICE auf demselben Streckenabschnitt. In allen Zügen habe die Heizung und die Beleuchtung funktioniert, berichtete die Bahn. In dem Intercity erlitt eine Frau einen Schwächeanfall. Ein Arzt kümmerte sich um sie, und sie konnte die Reise fortsetzen, wie ein Bahnsprecher sagte.
Wegen extrem glatter Straßen habe man in Absprache mit dem Technischen Hilfswerk (THW) entschieden, die Züge nicht zu evakuieren. Es hätten keine Busse oder Taxis zum Weitertransport der Fahrgäste bereitgestanden, hieß es. In den Zügen seien auch Speisen und Getränke ausgegeben worden. Eine Reisende berichtete nach der nächtlichen Odyssee in Wolfsburg: „Es gab immerhin Kaffee, und es war sehr warm.“
Die vier ICE wurden teils von Dieselloks nach Berlin und Richtung Wolfsburg abgeschleppt, teils konnten sie selbst wieder die Fahrt aufnehmen. Nach einer kompletten Sperrung des Abschnitts Wolfsburg- Berlin gab die Bahn den Verkehr in Richtung Westen gegen 7.30 Uhr wieder frei, später fuhren die ICE in beiden Richtungen abwechselnd über dasselbe Gleis. Intercitys fuhren erst einmal nicht.
Symptomatisch für das Durcheinander war die Ansage eines Zugbegleiters in einem ICE vor Wolfsburg: „Im Moment habe ich noch keine Informationen, wann es weitergeht, wie es weitergeht und wann wir wo ankommen.“
Viele wartende Fahrgäste auf den Bahnsteigen nahmen die Situation gelassen oder mit Sarkasmus auf. „Ich hoffe, dass ich heute überhaupt noch ankomme“, sagte ein junger Mann am Berliner Hauptbahnhof. „Wir sagen den Verwandten Bescheid, dass wir später kommen, und dann wird eben länger gefeiert“, meinte eine andere.
Die Bahnstrecke von Hamburg nach Hannover war von 5.00 bis 11.00 Uhr nicht passierbar, nachdem Bäume und Äste auf die Oberleitung gefallen waren. Der Fernverkehr wurde über Rotenburg (Wümme) umgeleitet, wie ein Bahnsprecher berichtete. Die Züge auf der Nord- Süd-Achse verspäten sich daher um etwa eine Dreiviertelstunde.
In Mecklenburg-Vorpommern machten auch Schneeverwehungen der Bahn zu schaffen. So fuhren beispielsweise zwischen Rügen und Stralsund keine Züge sowie zwischen Züssow und Anklam.