Ein Prozentpunkt fehlt Blass und ohne Rückenwind im Superwahljahr

Saarbrücken/Berlin (dpa) - Ein Prozentpunkt fehlt am Ende - und es hätte gereicht für Rot-Rot-Grün an der Saar. Ein Prozentpunkt mehr für die Grünen und damit zwei Landtagssitze - eine Koalition zusammen mit SPD und Linkspartei hätte im Saarbrücker Landtag die nötige Mehrheit gehabt.

Da wären die Linken, die dann erstmals überhaupt in einem westdeutschen Flächenland mitregiert hätten, über die eigenen Stimmenverluste sicher hinweggekommen.

Hätte-hätte-Fahrradkette: Ein Prozentpunkt mehr Stimmen klingt nach wenig, ist aber alles andere als einfach zu stemmen - erst recht für die Grünen. Zumal sich laut Forschungsgruppe Wahlen nur 24 Prozent der Saarländer für Rot-Rot-Grün begeistert hätten. Die Zustimmung für CDU-Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer und ihre Koalition mit der SPD war zu groß. So blieben die kleineren Parteien blass, von der hohen Wahlbeteiligung profitierten sie nicht. Rückschlüsse für die nächsten Wahlen ließen die Ergebnisse aber nicht zu, hieß es unisono.

LINKE: Trotz ihres Zugpferdes Oskar Lafontaine musste die Partei in ihrer westdeutschen Hochburg klare Einbußen hinnehmen. Die Träume der Parteispitze, Rot-Rot an der Saar als Vorlage für Rot-Rot-Grün nach der Bundestagswahl zu nehmen, sind zerplatzt. Zweckoptimismus ist angesagt: Zweistellig im Westen kann sich sehen lassen. Dass es für eine Regierung mit der SPD nicht gereicht hat, liegt aus Sicht der Linken an den Sozialdemokraten. Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht forderte den SPD-Kandidaten Martin Schulz auf, jetzt klar Kurs auf ein Linksbündnis zu nehmen.

Problem: Gerade die Aussicht auf ein Bündnis der SPD mit den Linken hat laut Umfragen viele Wähler an der Saar verschreckt. Insofern dürften bei den Linken nun auch diejenigen Auftrieb erhalten, die sich nicht an eine rot-rot-grüne Perspektive klammern wollen. Die Wahlziele für den Bund müssten dafür nicht über den Haufen geworfen werden: Die Linke will zweistellig als dritte Kraft vor Grünen, AfD und FDP werden.

GRÜNE: Die Grünen flogen mit mageren vier Prozent aus dem Landtag. Die Parteispitze führt das schlechte Ergebnis unter anderem auf das in Umfragen vorhergesagte Kopf-an-Kopf-Rennen von SPD und CDU zurück. Die Grünen traten an der Saar allerdings auch mit einem eher speziellen Landesverband und einem intern umstrittenen Parteichef an. In der Berliner Parteizentrale war jedenfalls niemand wirklich überrascht über das schlechte Abschneiden. Wohl auch, um den aktuell bundesweiten Umfragen-Sinkflug kleinzureden, wurde schon früh auf die besondere Lage des zerstrittenen Landesverbandes verwiesen.

Bei den Grünen kam nach Meinung der Forschungsgruppe Wahlen „zu auffällig wenig Kompetenzzuspruch“ ein schwacher Kandidat hinzu. Vor allem zur CDU wanderten Grünen-Wähler ab. Trotz mauer Umfragewerte wollen die Grünen weiter auf das Thema Umweltschutz setzen. „Wir werden die einzigen bleiben, die die ökologische Frage stellen“, sagt Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt trotzig.

AfD: Die Mobilisierung der Nichtwähler kam diesmal vor allem den etablierten Parteien zugute. Die AfD, zuletzt immer Nutznießerin, profitierte wenig. Bei allen fünf Landtagswahlen des vergangenen Jahres hatte sie noch zweistellige Ergebnisse erzielt. Was aber wohl auch an der chaotischen Lage bei der AfD im Saarland liegt. Die fiel in der Vergangenheit durch Kontakte zu Rechtsextremen auf. Das war selbst den Parteioberen um Frauke Petry & Co. zu viel. Die kritisierte auch die „Vetternwirtschaft“ des Landesverbandes. Der sollte sogar aufgelöst werden. Doch das Schiedsgericht der AfD kippte den Beschluss des Bundesvorstandes.

Danach beschloss die AfD-Spitze, der Saar-Truppe immerhin so viel Geld und personelle Unterstützung zukommen zu lassen, dass der Einzug der Partei in den Landtag nicht verfehlt würde, mehr aber auch nicht. Der Saar-AfD sei so „die gelbe Karte gezeigt worden“, heißt es aus der AfD. AfD-Co-Chef Jörg Meuthen sprach von einer besonderen Konstellation. Das habe mit Oskar Lafontaine zu tun und damit, dass die AfD zuletzt stark „angefeindet“ worden sei.

FDP: Die FDP legte zwar zu, verpasste aber den Wiedereinzug ins Parlament. Die Liberalen an der Saar müssen sich offenbar weiter mit den Altlasten herumplagen. Die FDP konnte sich von dem 2012 gescheiterten chaotischen „Jamaika“-Experiment, der Koalition mit Union und Grünen, bis heute wohl nicht ganz erholen.

FDP-Chef Christian Lindner will von einer Programmänderung jedenfalls nichts wissen - und gibt sich zuversichtlich auch für die Bundestagswahl. Nach dem Debakel bei der Bundestagswahl 2013 sei die FDP personell wieder so stark aufgestellt, dass sie „sofort Regierungsverantwortung übernehmen könnte“. In Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen seien die Liberalen in den Landtagen mit starken Fraktionen vertreten und wollten drittstärkste Kraft werden.