Boll überragt im Bronze-Match
London (dpa) - Timo Boll ballte die Fäuste, Dimitrij Ovtcharov stemmte den Top-Star in die Höhe, und aus dem Hintergrund sprintete Bastian Steger fast wie Usain Bolt in die Spielerbox. Im Quartett mit Bundestrainer Jörg Roßkopf vollführten Deutschlands formidable Tischtennis-Herren den olympischen Bronze-Tanz.
„Ich war mir nicht sicher, ob ich es schaffe“, kommentierte der überragende WM-Dritte Boll seinen Kraftakt beim 3:1 am Mittwoch gegen Hongkong. „Am Ende wollten wir sie auffressen, jetzt sind wir auch satt.“
Zwei Siege steuerte der 31-jährige Linkshänder im Hongkong-Match zur zweiten Team-Medaille nach Silber 2008 und zum zweiten Edelmetall für den DTTB in London bei. So wie es Boll seit mehr als einem Jahrzehnt fast immer getan hat. Die Bronze-Plakette war für den Düsseldorfer mehr als nur ein Trostpflaster für die frühe Pleite im Einzel, als er in ein Loch gefallen war, aus dem er sich selbst herausgeholt hatte. „Das ist eine große Entschädigung und Genugtuung für mich“, sagte Boll. „Ich habe doch noch nicht alles verlernt.“
Dem Ausnahmespieler gelang es als einzigen Nicht-Chinesen, einen chinesischen Spieler im Olympia-Turnier zu bezwingen. Im Finale siegten Chinas Herren mit 3:0 gegen Südkorea, vier Gold- und zwei Silbermedaillen sind eine maximale Ausbeute für das Reich der Mitte. Der Olympia-Dritte Ovtcharov schaffte ebenfalls einen Eintrag ins Rekord-Buch. Als erster Europäer besitzt er drei Olympia-Medaillen.
„Ich bin überglücklich und wahnsinnig stolz. Wir haben alle Reserven akquiriert. Jetzt können wir feiern“, berichtete der neue Rekord-Olympionike des DTTB. Sechs Tage nach Platz drei im Einzel erhielt er bei der Siegerehrung sein zweites Edelmetall. „Ich habe jetzt zwei Bronzemedaillen aus London und Silber aus Peking. Das hat im Tischtennis noch niemand in Deutschland geschafft“, stellte Ovtcharov hocherfreut fest.
„Das ist ein historischer Erfolg. Wir haben erstmals zwei Medaillen bei Olympia geholt“, sagte Sportdirektor Dirk Schimmelpfennig. Großen Anteil daran hat auch Bundestrainer Roßkopf. Er setzte den wiedererstarkten Boll im Spiel um Platz drei erstmals nicht im Doppel ein, sondern nominierte ihn für zwei Einzel. Diese Position hatte zuvor der bärenstarke Ovtcharov besetzt, bei dem nach einem kräftezehrenden Turnier zum Schluss die Kräfte etwas nachließen.
„Wir hatten uns vorher auf diese Taktik festgelegt. Timo sollte beim Stand von 2:1 gewinnen“, erläuterte Roßkopf seinen geschickten Schachzug. „Dafür ist Timo da.“ In vier umkämpften Sätzen rettete sich Boll gegen Jiang Tiany mit einer Energieleistung über die Ziellinie. „Jetzt werden wir feiern, das haben wir verdient“, kündigte Boll danach an.
Der deutsche Meister Steger, der das Team beim 3:1 gegen Schweden vor dem Erstrunden-Aus bewahrt hatte, war diesmal heilfroh. Er hätte bei einer Niederlage von Boll das letzte Einzel beim 2:2 bestreiten müssen. „Das war eine schlimme Situation, so auf die Folter gespannt zu werden“, sagte der Olympia-Debütant. „Mal sehen, vielleicht erhält die Medaille in meiner Vitrine einen Extraplatz.“
Neben den zahlreichen Fans freute sich auch DTTB-Präsident Thomas Weikert auf der Tribüne. „Bronze ist wie Silber. Das ist eine ersehnte und verdiente Medaille. Das ist super gut für die Förderung“, betonte Weikert. „Von zwölf Tischtennis-Medaillen sind sechs nach China und zwei nach Deutschland gegangen. Dieses Ergebnis bestätigt unsere Strukturen.“