Skandal im US-Wahlkampf Bricht ein altes Video Trump das Genick?

Washington (dpa) - Ist das Donald Trumps Waterloo? Nur zwei Tage vor der nächsten Fernsehdebatte der US-Präsidentschaftskandidaten taucht ein Video mit vulgären Äußerungen des einstigen Entertainment-Stars über Frauen auf.

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Die Sätze sind so drastisch, dass in den US-Nachrichtensendungen gleich mehrere Worte durch einen Piepton ersetzt wurden.

Schamlos beschreibt der damals bereits mit Melania, seiner jetzigen Frau, verheiratete Mann seinen Versuch, eine andere verheiratete Frau zu verführen. Und er brüstet sich, dass man es sich als Star erlauben könne, Frauen ungefragt zu küssen und ihr Geschlechtsteil zu begrapschen: „Du kannst alles machen.“

Zwar stammt die Aufzeichnung schon aus dem Jahr 2005. Es ließe sich also vielleicht argumentieren, dass dies Schnee von gestern sei, dieser Mann inzwischen dazugelernt, an Reife und Einsicht gewonnen habe - wären da nicht andere, neuere Äußerungen über Frauen als „fette Schweine“ oder jener Ausfall, bei dem er einer TV-Moderatorin vorwarf, gerade zu menstruieren und ihn deshalb besonders aggressiv anzugehen.

Und schließlich hatte Trump ja auch 2005 schon das reife Alter von 59 Jahren - da kann man schlecht von einer Jugendsünde sprechen. „Ich habe törichte Dinge gesagt“, gab er am Freitag per Videobotschaft zu und entschuldigte sich - nur um fast im gleichen Atemzug wieder anzugreifen. Die Clintons seien noch viel schlimmer. Das wolle er auch bei der Fernsehdebatte am Sonntagabend (Ortszeit) thematisieren.

Die Veröffentlichung hatte jedoch längst eingeschlagen wie eine Bombe, verdrängte sogar Hurrikan „Matthew“ über weite Strecken aus den Nachrichten. „Das war es für ihn“, „er ist erledigt“, „davon erholt er sich nicht mehr“, „das hat das Fass zum Überlaufen gebracht“, „ein politisches Erdbeben“, „sehr, sehr explosiv“ - so lauteten erste Einschätzungen vieler Moderatoren und Kommentatoren. „Es ist aus, es gibt keinen Wahlkampf mehr“, sagte Kommentator Bob Beckel auf CNN.

Auch Republikaner äußerten Abscheu und Entsetzen über das Verhalten ihres Kandidaten. Einige, wie der frühere Gouverneur des konservativ-christlich dominierten Staates Utah, Jon Huntsmann, riefen Trump sogar zur Beendigung seiner Kandidatur auf. Von Demokraten ganz abgesehen: „Schrecklich. Wir dürfen es nicht zulassen, dass dieser Mann Präsident wird“, erklärte Trumps Rivalin Hillary Clinton.

Die Demokratin hatte den Republikaner in der ersten Fernsehdebatte Ende September abgebürstet, unter anderem mit einem Beispiel für frauenverachtendes Verhalten ihres Gegners. Dabei ging es um abfällige Äußerungen über eine frühere Miss Universum, die zugenommen hatte - ein Thema, das sich danach tagelang in den Schlagzeilen hielt.

Seit der Debatte hat Clinton in Umfragen wieder zugelegt und Trump unter immensen Druck gebracht, im zweiten TV-Duell an diesem Sonntag zu punkten. Und nun das. Bessere Munition hätte Clinton nicht frei Haus geliefert bekommen können.

Freilich ist es nicht das erste Mal in diesem Wahlkampf, dass Kommentatoren Trumps politisches Ende gekommen sehen. So war es auch schon, nachdem er sich mit den Eltern eines im Irak getöteten muslimischen Soldaten angelegt hatte. Bereits damals resümierten US-Medien aber: Trump-Anhänger ticken irgendwie anders, und sie mögen ihn gerade, weil er nicht so ist wie das politische Establishment - auch wenn er dabei Grenzen überschreitet.

Es gehe ja schließlich am 8. November auch nicht darum, einen neuen Lehrer an einer Sonntagsschule zu wählen, sagte denn auch Trumps früherer Wahlkampfmanager Corey Lewandowski nach Publikwerden des Skandalvideos von 2005. Eine andere republikanische Strategin wies darauf hin, dass solche Äußerungen - zumal alt - gar nichts seien im Vergleich zu Hillary Clintons Fehlern als Außenministerin, die teils Menschenleben gekostet hätten.

Dass es diesmal aber wohl besonders ernst ist, scheint Trump selbst erkannt zu haben. Zwar versuchte er prompt, seine Obszönitäten als übliches Geschäker unter Männern herunterzuspielen. Aber immerhin fügte er eine formelle Entschuldigung hinzu.

Sollte Trump geglaubt haben, dass auch diese Sache irgendwie versandet, so dürfte ihm spätestens am Abend klar geworden sein, dass er falsch liegt. Da wurde ein für Samstag geplanter wichtiger Wahlkampfauftritt abgeblasen - mit dem republikanischen Vorsitzenden des Abgeordnetenhauses, Paul Ryan, einem prinzipientreuen Familienvater, der sich ohnehin nur mit viel Überwindung hinter Trump als Spitzenkandidaten gestellt hatte. Das spricht Bände - auch wenn keiner der beiden von einer Ausladung sprechen wollte.

Dabei liegt das neue Problem, das der Kandidat seiner Partei aufgetischt hat, nicht darin, dass sich Frauen von ihm abwenden könnten. Bei den meisten kann er ohnehin keinen Blumentopf gewinnen. Und auch seine männlichen Anhänger werden ihm nun wohl kaum in Scharen den Rücken kehren. Der Knackpunkt liegt vielmehr darin, dass Trump Wähler hinzugewinnen muss, um Clinton zu schlagen. Und das ist, milde ausgedrückt, nicht eben wahrscheinlicher geworden.