Poker im Kanzleramt Bundespräsident verzweifelt gesucht
Berlin (dpa) - Die Suche nach einem neuen Staatsoberhaupt hat ja etwas von einer Papstkür. Am Sonntagnachmittag steigt aber noch kein weißer Rauch über dem Kanzleramt auf. Alles andere wäre auch eine faustdicke Überraschung gewesen.
Warum sollte SPD-Chef Sigmar Gabriel die Kanzlerin aus dem Schwitzkasten lassen? Mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat die SPD ein politisches Schwergewicht in den Ring gestellt, an dem Merkel und die Union nur sehr schwer noch vorbeikommen dürften.
An dieser Lage ändert sich auch nach dem Spitzentreffen nichts. Gabriel, erst am Samstag aus China zurückgekehrt, verlässt nach rund 90 Minuten die Runde mit Angela Merkel und CSU-Boss Horst Seehofer. Der Vizekanzler lässt sich vom Redaktionsnetzwerk Deutschland mit dem Satz „Eine Einigung ist weiterhin nicht ausgeschlossen“ zitieren.
Das lässt Raum für Spekulationen. Hat Gabriel von Merkel den Namen eines Kandidaten oder einer Kandidatin gehört, der oder die Steinmeier toppen kann? Oder beißen Merkel und Seehofer in den sauren Apfel und tragen Bürgers Liebling Steinmeier mit, weil sie keinen überparteilichen oder keinen Unions-Gegenkandidaten mit Siegchancen aufbieten können?
Für Gabriel und die SPD wäre es ein Triumph, wenn Steinmeier das Schloss Bellevue erobern würde, den Amtssitz des Bundespräsidenten. Merkel wäre einigermaßen blamiert. Wieder hätte sie eine Präsidentenkür vergeigt. Und das kurz vor dem CDU-Parteitag, wo sie Anfang Dezember aller Voraussicht nach ihre erneute Kanzlerkandidatur bekanntgeben will.
Ansonsten dringt nach dem Treffen wenig nach draußen. Nur soviel: Ende der Woche oder am Wochenende soll das Gespräch fortgesetzt werden. Als wahrscheinlicher Termin wird der Sonntag angepeilt. Dann soll es Klarheit geben, ob es einen gemeinsamen Kandidaten gibt. Oder ob es am 12. Februar in der Bundesversammlung auf eine Kampfabstimmung hinausläuft.
Wie lief der Präsidentenpoker im Kanzleramt? Gemeinsam hatte man direkt nach der Absage Gaucks für eine zweite Amtszeit verabredet, nach einem Konsenskandidaten der Koalition zu suchen. Das Kalkül, das damals dahinter stand: Man wollte verhindern, dass zu Beginn des Bundestags-Wahljahres einer der beiden Koalitionäre als Verlierer da stünde und so mit einem Malus in den Wahlkampf gehen müsste.
Doch in der SPD heißt es mittlerweile, man habe von Anfang an einen eigenen Kandidaten präsentieren wollen. Zu verlockend dürfte für Gabriel die Chance gewesen sein, Merkel mit der Personalie Steinmeier endlich mal in die Defensive zu bringen.
Am Sonntag ist nur soviel zu hören: Keine Seite soll sich apodiktisch auf einen Kandidaten versteift haben. Das muss aber nicht bedeuten, dass Merkel, Seehofer und Gabriel nicht doch verschiedene Kandidatennamen durchgespielt haben.
Einig sind sich die Drei, dass zumindest direkt nach dem Treffen keine Namen durchsickern sollten. Es wäre „unwürdig“ gegenüber dem hohen Amt, wenn nun öffentlich Namen gehandelt würden. Nicht unwahrscheinlich ist aber, dass Merkel an diesem Montag im CDU-Präsidium den Stand der Verhandlungen bespricht. Noch bleiben ihr ein paar Tage, um Gabriel möglicherweise auszukontern und etwa Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) weichzuklopfen, der am Sonntag in der ARD diesen Satz hinterlässt: „Ich habe, glaube ich, eine realistische Vorstellung sowohl von meinen Möglichkeiten wie von diesem Amt.“
Bei der SPD wird nach dem Dreier-Treffen mit Genugtuung betont, es habe sich an der guten Ausgangslage für Steinmeier nichts geändert. Er sei ein hervorragend geeigneter Kandidat. Aber eben noch längst nicht offiziell nominiert. So lässt die SPD Merkel bewusst die Tür offen, bis zum Wochenende den beliebten Chefdiplomaten in der Union doch noch als beste Lösung zu verkaufen. Von Merkel ist bekannt, dass sie den Außenminister schätzt und gut mit ihm kann.
Es stehen spannende Tage bevor. In den Fraktionssitzungen am Dienstag von Union und SPD dürfte der Präsidentenpoker Gesprächsstoff Nummer eins sein.