Bundeswehr gegen den IS: Geht das so einfach?
Berlin (dpa) - Monatelang hat sich Deutschland aus den Luftangriffen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat herausgehalten. Jetzt soll alles ganz schnell gehen.
Nach der Grundsatzentscheidung am Donnerstag für eine Beteiligung an der Militäroperation arbeitet das Verteidigungsministerium mit Hochdruck an den Details. Schon am Dienstag entscheidet das Kabinett, und auch die Beratungen im Bundestag sollen nicht lange dauern. Vielleicht hat aber auch das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort.
Welche Rechtsgrundlage hat der Einsatz?
Die Bundesregierung beruft sich vor allem auf zwei Dokumente: Die UN-Charta und das in Artikel 51 vorgesehene Selbstverteidigungsrecht sowie die im Vertrag über die Europäische Union festgeschriebene Beistandspflicht (Artikel 42 Absatz 7). Der französische Präsident François Hollande hat die EU-Partner unter Berufung auf diesen Artikel um Hilfe gebeten. Die Bundesregierung zieht zudem die Resolution des UN-Sicherheitsrats vom 20. November als Begründung heran, die ein Vorgehen gegen den IS zwar unterstützt, Gewaltanwendung aber nicht ausdrücklich autorisiert.
Entspricht das alles dem Grundgesetz?
Das Grundgesetz lässt nach Artikel 24 nur Auslandseinsätze in Systemen „gegenseitiger kollektiver Sicherheit“ zu. Ob die EU als ein solches System gelten kann, ist umstritten. Es ist das erste Mal, dass der Artikel 42 Absatz 7 zur Anwendung kommt.
Wird dann das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort haben?
Die Linke im Bundestag behält sich eine Klage vor. Der Gang nach Karlsruhe ist für die Opposition aber nicht ganz einfach. Möglich wäre eine Normenkontrollklage. Dafür haben Linke und Grüne zusammen aber zu wenige Stimmen im Bundestag. Zweiter Klageweg wäre die Verfassungsbeschwerde eines Betroffenen, also eines Bundeswehrsoldaten. Die Linksfraktion müsste also einen Soldaten finden, der ihre Bedenken teilt und bereit ist zu klagen.
Ist denn wenigstens die Mehrheit im Bundestag sicher?
Die ist ziemlich sicher. Die Fraktionen von Union und SPD stehen hinter dem Einsatz. Selbst der linke Flügel der SPD hält still. Die Linke ist wie bei jedem Auslandseinsatz der Bundeswehr dagegen. Auch bei den Grünen wird der Einsatz skeptisch gesehen.
Wieviele Soldaten werden an dem Einsatz teilnehmen?
Das ist noch unklar. Es werden aber sicher etliche hundert sein. Alleine die Besatzung der Fregatte, die den französischen Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ im Mittelmeer schützen soll, wird aus mehr als 200 Soldaten bestehen. Hinzu kommen die Besatzungen von vier bis sechs „Tornado“-Aufklärungsflugzeugen und ein bis zwei Tankflugzeugen plus Bodenpersonal. Auch das kann zusammen eine dreistellige Zahl von Soldaten sein.
Wann wird der Einsatz losgehen?
Der Bundestag wird das Mandat vielleicht schon nächste Woche beschließen, auf jeden Fall aber vor Weihnachten. Dann können die „Tornados“ theoretisch starten. Wie lange die militärischen Vorbereitungen für den Einsatz dauern werden, ist aber noch unklar. Spätestens Anfang nächsten Jahres werden die „Tornados“ über Syrien kreisen.
Befindet sich die Bundeswehr dann im Krieg?
Das ist Ansichtssache. Die Bundesregierung pocht darauf, dass man rechtlich gesehen nicht von einem Krieg sprechen kann. Deutschland sei nicht im Krieg, „weil wir keinen Staat bekämpfen“, sagt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Es gibt aber auch Kriege, in denen sich Kollektive bekämpfen, die keine Staaten sind. Das gilt zum Beispiel für Bürgerkriege innerhalb eines Staates oder Unabhängigkeitskriege zur Abspaltung eines Gebietes von einem Staat.
Und wie sieht es mit dem allgemeinen Sprachgebrauch aus?
Die Verwendung des Begriffes Krieg in der Alltagssprache weicht von der rechtlichen Definition ab. Wenn Kampfjets Bomben abwerfen und Menschen töten, ist das in der Wahrnehmung vieler Bürger und Soldaten Krieg. Der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) nannte deswegen 2010 als erster deutscher Politiker den Militäreinsatz der Nato in Afghanistan Krieg, obwohl das rechtlich umstritten war. Die Soldaten im Einsatz waren ihm dankbar dafür, weil sie es als Anerkennung ihrer Arbeit werteten.