Christian Lindner: „Der bessere Guido“?

Berlin (dpa) - „Er traut sich noch nicht“ - seit Tagen ist das die Antwort aus den FDP-Führungsetagen auf die Frage, ob Christian Lindner die Nachfolge von Guido Westerwelle an der Spitze der Partei antreten will.

Kein anderer hat in der FDP eine derartige Blitzkarriere hingelegt. Niemand wird bei den Liberalen so uneingeschränkt mit dem Etikett „Hoffnungsträger“ versehen, wenn es um die Ära nach Westerwelle geht.

Unter normalen Umständen wäre der Generalsekretär der „geborene“ Nachfolger an der Parteispitze. Doch die Zeiten sind für die FDP alles andere als normal. Die Partei steckt in ihrer tiefsten Identitätskrise seit der Spenden- und Antisemitismus-Affäre um Jürgen Möllemann vor acht Jahren. Sie hat massiv an Glaubwürdigkeit verloren und droht auch die schwarz-gelbe Koalition in die Tiefe zu ziehen.

Diese Ausgangslage macht zugleich das größte Manko Lindners deutlich: Der 32-Jährige ist noch sehr jung und hat noch keine Regierungserfahrung.

Möllemann hatte das Nachwuchstalent entdeckt und gefördert. Im Jahr 2000 wurde der Mann aus Wermelskirchen jüngster Landtagsabgeordneter in Düsseldorf, mit 25 jüngster Generalsekretär der Landespartei. Als nach der Bundestagswahl 2009 das gesamte Führungspersonal der Bundespartei in Regierungsämter strebte, machte Westerwelle den Bundestagsabgeordneten zum Nachfolger von Generalsekretär Dirk Niebel, der Entwicklungshilfeminister wurde.

Mit 95,6 Prozent der Stimmen wurde Lindner vor einem Jahr ins Amt des Chef-Managers der FDP gewählt. Mit meist frei gehaltenen Reden verschaffte er sich rasch Hochachtung. Obwohl von Westerwelle gefördert, wahrte Lindner stets eine gewisse Unabhängigkeit.

So beklagt er bis heute eine „argumentative Verengung“ Westerwelles auf Steuersenkungen. Die Steuergeschenke für Hoteliers hält er im Nachhinein ebenso für falsch wie Westerwelles Herumreiten auf einer Neuregelung der Sozialhilfe.

Lindner will seine Partei auch für Intellektuelle wieder attraktiv machen. Als den „besseren Guido“ oder „die schöne Seite des Liberalismus“ beschrieben ihn sonst eher FDP-kritische Medien. Dabei ist er alles andere als ein Sozialliberaler, obwohl er die Koalitionsoptionen gerne in Richtung SPD oder Grünen öffnen möchte.

Lindner ist auch auch für Wirtschaftsliberale wählbar. „Der Staat ist ein teurer Schwächling“, der auf seine Kernaufgaben zurückgeführt werden müsse - mit solchen Sprüchen bediente er zu Beginn seiner Amtszeit gerne den neoliberalen Flügel. Nach der Bankenkrise warb er für den ordnenden Staat, der Regeln setzen muss: „mitfühlender Liberalismus“ statt „kalter Neoliberalismus“.

Lindner ist angetreten, die FDP aus der „Glaubwürdigkeitsfalle“ herauszuholen, in der die Partei seit der Regierungsübernahme Ende 2009 steckt. Zunächst dachte der frisch verliebte Parteigeneral, der im Berliner Szene-Viertel Prenzlauer Berg wohnt, er könne das im Windschatten des Parteichefs tun.

Jetzt sieht es so aus, als ob der frühere Porsche-Fahrer schneller springen muss als geplant - entweder allein an die Spitze oder im Tandem mit Philipp Rösler. Er halte sich an die alte Rennfahrer-Regel: „Man schaut immer auf den Ausgang der Kurve, nie auf die Leitplanke“, schilderte Lindner dieser Tage seine Gemütslage.