Das Geschäft mit den Flüchtlingsunterkünften

Düsseldorf (dpa) - Lächelnde Kinder mit strahlend weißen Zähnen. Ein schwarzhäutiger Jugendlicher, der mit einem Asiaten und einer Europäerin posiert. Die Welt ist im Einklang, zumindest auf den Internetseiten der Betreiber von Flüchtlingsunterkünften.

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Mit der Realität in vielen deutschen Wohnstätten, mit den müden Gesichtern und den ausgezehrten Körpern, haben diese Bilder nur wenig zu tun.

800 000 Menschen werden in diesem Jahr nach Schätzungen des Bundesinnenministeriums in Deutschland Schutz suchen. In Zeiten steigender Flüchtlingszahlen haben sich die Betreuung von Asylbewerbern und der Betrieb von Unterkünften als lohnenswerte Einnahmequelle etabliert. Aber Privatfirmen stehen unter besonderer Beobachtung. Sie tragen Namen wie Human-Care - oder European Homecare. Die Firma aus Essen gilt als Marktführer im Betrieb von Flüchtlingsunterkünften. Nach eigenen Angaben versorgt der private Heimbetreiber momentan rund 5000 Asylbewerber in 50 Einrichtungen.

Das macht sich auch in der Bilanz bemerkbar. Bereits von 2012 auf 2013 machte der Umsatz des Unternehmens einen Sprung um 72 Prozent auf rund 16,7 Millionen Euro, der Gewinn legte um deutlich mehr als das Doppelte von 585 000 auf mehr als 1,4 Millionen Euro zu. „Der Anstieg erklärt sich durch die gestiegene Zahl an Asylbewerbern sowie die Sicherung neuer Projekte“, heißt es in der im Bundesanzeiger veröffentlichten Bilanz von European Homecare. „Das Marktumfeld ist aufgrund der gestiegenen Zustände etwas günstiger geworden.“ Aktuelle Zahlen gibt es zwar nicht, sie dürften aber deutlich höher liegen.

Über öffentliche Ausschreibungen für Flüchtlingsunterkünfte informiert das Onlineportal TED der EU. Und eine Analyse dieser Aufträge zeigt: Wer das billigste Angebot abgibt, erhält oft den Zuschlag. Auch bei den Behörden muss es dieser Tage etwas rascher zur Sache gehen, da werden auch mal einzelne Anbieter abtelefoniert, wie aus Verwaltungskreisen zu hören ist. Von „Verhandlungsverfahren ohne Aufruf zum Wettbewerb“ oder von „zwingender Dringlichkeit“ ist zu lesen, wenn Beamte die Wahl zu einem Schnellverfahren begründen.

Im Frühjahr suchte zum Beispiel ein Landkreis in Thüringen einen Betreiber einer Asylbewerberunterkunft für 210 Bewohner. Anzahl der eingegangenen Angebote: eins. Zuschlagskriterien: Niedrigster Preis. Der Auftrag in Höhe von drei Millionen Euro ging an Human-Care GmbH, eine Firma aus Bremen. Auch in Wolfsburg kassiert das Unternehmen seit Anfang des Jahres mehr als 300 000 Euro jährlich für die Betreuung einer Containeranlage von Asylbewerbern.

Sein Unternehmen nutze keinesfalls eine aktuelle Notlage aus, betont Human-Care-Geschäftsführer Holger Wollesen. Er verweist auf die „langjährige Erfahrung“, die „qualifizierte Betreuung“ und „gut ausgestatteten Wohnraum“. Kurze Dienstwege, rasche Entscheidungen, umfangreiche Beratung - als privates Wirtschaftsunternehmen könne Human-Care „schnell agieren“.

Doch längst mischen auch gnadenlose Profiteure mit im Geschäft. Nach einem Bericht von „NDR Info“ hatte in Elmshorn (Schleswig-Holstein) ein Immobilienmakler dem Sozialamt angeboten, Flüchtlinge für 23,90 Euro pro Tag in einem Wohnblock unterzubringen - ein Vielfaches des regulären Mietpreises.

In Duisburg grassiert ein anderes Problem. Geschäftstreiber kaufen baufällige Schrott-Immobilien für einen Bruchteil und vermieten sie zu horrenden Preisen an Flüchtlinge weiter. Einer syrischen Familie nahm ein Vermieter für eine heruntergekommene Wohnung 636 Euro ab - 50 Cent unter der Mietgrenze, wie ein Betroffener der „WAZ“ berichtete. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) kündigte bei ihrem Besuch im Duisburger Problemviertel Marxloh an, gegen zwielichtige Unternehmer vorzugehen und Gesetzeslücken zu prüfen. „Menschen werden praktisch wie Ware behandelt und ausgebeutet“, sagte sie.

„Die junge Flüchtlingsindustrie lockt mit traumhaften Renditen von bis zu 20 Prozent pro Jahr“ - das ziehe Glücksritter an, sagt der mittelfränkische Immobilienentwickler Markus Gildner. Von der Sanierung von Altlasten über das Dickicht der Verwaltungsparagrafen: Die Unterbringung von Flüchtlingen sei kein Geschäft für Anfänger, berichtet der Investor nach eigener Erfahrung.

Kopfpauschalen von 30 Euro pro Tag seien für potenzielle Betreiber zwar verlockend. Jedoch könnte sich die Flüchtlingsbetreuung auch als finanzielles Desaster herausstellen. Nach Abzug von Nebenkosten, Energieverbrauch, Reparaturen und Steuern bliebe nicht viel übrig - außer man sei als Betreiber spezialisiert. Und das seien nur wenige.

Gildner startete im vergangenen Jahr die private Initiative „The Peoples Project“. Seine Idee: Für Flüchtlinge günstige Reihenhäuser bauen statt sie in baufälligen Gebäuden unterzubringen. Sie sollen sich dadurch besser integrieren, und die Gebäude können später weitergenutzt werden. Seit Mai wird am Pilotprojekt in Eckental (Bayern) zwischen Erlangen und Nürnberg gebaut. 60 Flüchtlinge sollen bald in sechs Reihenhäusern unterkommen.

In Berlin indes geriet ein Betreiber von Flüchtlingsheimen zuletzt in die Kritik. Wegen überhöhter Rechnungen fordert die Stadt von der Professionellen Wohn- und Betreuungsgesellschaft (PeWoBe) mehr als 162 000 Euro zurück. Das Unternehmen soll Geld für Personal abgerechnet haben - das aber tatsächlich gar nicht gearbeitet hat. Die Vorwürfe seien aus der Luft gegriffen, sagt indes Firmenchef Helmuth Penz. Einem Medienbericht zufolge will er sich nun verstärkt auf das Geschäft mit Unterkünften für Obdachlose konzentrieren.

Das hat auch mit der Wohnungssuche für Flüchtlinge zu tun: Berlin gibt nach Angaben des Landesamtes für Gesundheit und Soziales täglich bis zu 50 Euro für die Unterbringung eines Flüchtlings - etwa in einem Hostel - aus, wenn Notunterkünfte oder andere Einrichtungen belegt sind. Dadurch schießen die Preise für die Zimmer in die Höhe. Mittlerweile seien Flüchtlinge einigen Betreibern willkommener als Obdachlose, für die sie 25 Euro pro Tag kassieren, berichtet der „Tagesspiegel“.

Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl sieht da Geschäftsgebaren privater Betreiber kritisch. „Es muss das Ziel der Politik sein, zu verhindern, dass sich einige an den Notlagen von Menschen eine goldene Nase verdienen“, sagt Vize-Geschäftsführer Bernd Mesowic. Im Vergleich mit dem staatlichen Wohnungsbau und seinen langwierigen Verfahren hätten Privatfirmen zwar auch Vorteile: Sie könnten Häuser in vergleichsweise kurzer Zeit errichten und Wohnungen dann anbieten, wenn Kommunen sie am Nötigsten brauchen, meint Mesowic. Allerdings bleibe ein Risiko, wenn etwa windige Geschäftsleute rasch Kasse machen wollten ohne Rücksicht auf Bau- und Hygienevorschriften.

Nach Meinung von Pro Asyl hat der Bund es in den vergangenen Jahren verpasst, genügend Wohnungen zu schaffen. In vielen größeren deutschen Städten steigen die Mieten rasant an. Auch der Deutsche Mieterbund fordert, dass bis Ende 2017 eine Million Wohnungen - darunter 250 000 für sozial Bedürftige - zusätzlich entstehen.

Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) mahnt: Die Qualität dürfe dabei nicht zu kurz kommen. Wenn neue Unterkünfte für Flüchtlinge entstehen, sollten sie so gebaut werden, dass sie später Bedürftige auch als Sozialwohnungen nutzen können. Bis dahin seien jedoch viele Kommunen auf private Betreiber angewiesen - und säßen damit am „kürzeren Hebel“, sagt Pro-Asyl-Sprecher Mesowic.