Debatte um Armutsmigranten: CSU-Vorstoß in der Kritik
München/Berlin (dpa) - Unmittelbar vor Öffnung des deutschen Arbeitsmarktes für Rumänen und Bulgaren zum 1. Januar macht die CSU Front gegen Armutszuwanderung.
Sie will Ausländern den Zugang zum deutschen Sozialsystem erschweren - etwa durch eine dreimonatige Sperrfrist für Hartz-IV-Hilfen an Zuwanderer. SPD und Opposition warfen der CSU Rechtspopulismus vor. „Wer eine solche Melodie intoniert, bereitet den Tanz für die Rechtsextremen“, sagte der SPD-Innenpolitiker Michael Hartmann. Wissenschaftler bezweifeln, dass es vorwiegend zu einer Armutszuwanderung kommen wird.
Die CSU will die Forderungen bei der Fraktionsklausur ihrer Landesgruppe im Bundestag im Januar in Wildbad Kreuth beschließen. Auch soll härter gegen ausländische Betrüger bei Sozialleistungen vorgegangen werden - nicht nur durch deren Ausweisung, sondern auch durch Verhinderung ihrer Wiedereinreise. Die CSU-Forderungen sind bereits heute nach geltendem EU-Recht umsetzbar. „Wer betrügt, der fliegt“, heißt es in dem CSU-Papier. Es liegt der Nachrichtenagentur dpa vor. Zuvor hatte die „Süddeutsche Zeitung“ (Samstag) darüber berichtet.
Anlass sind Befürchtungen, die vom 1. Januar an auch für Rumänen und Bulgaren geltende volle EU-Arbeitnehmerfreizügigkeit könnte zu einem verstärkten Zuzug aus diesen Ländern nach Deutschland führen. Die kommunalen Spitzenverbände haben unter Hinweis auf schon bestehende Probleme in belasteten Städten wie Duisburg und Dortmund Gegenmaßnahmen verlangt und vor einem weiteren Anstieg ihrer Sozialausgaben gewarnt.
In dem CSU-Papier heißt es: „Der fortgesetzte Missbrauch der europäischen Freizügigkeit durch Armutszuwanderung gefährdet nicht nur die Akzeptanz der Freizügigkeit bei den Bürgern, sondern bringt auch Kommunen an die Grenzen ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit.“
Linkspartei-Chef Bernd Riexinger sagte der „Berliner Zeitung“ (Online): „Wenn eine Regierungspartei gegen Ausländer hetzt, darf man sich nicht wundern, wenn braune Gewaltbanden Taten folgen lassen. Hetze hilft niemandem.“ Der Innenpolitiker der Grünen, Volker Beck, mahnte: „Die CSU sollte nicht das innenpolitische Klima vergiften!“
Die SPD-Vize und Migrationsministerin im Kanzleramt, Aydan Özoğuz, mahnte die CSU, nicht „durch falsche Pauschalurteile die Stimmung in unserer Gesellschaft gegen Arme aufzuheizen“. Der SPD-Politiker Hartmann sagte dem „Tagesspiegel am Sonntag“, die CSU müsse sich noch daran gewöhnen, „dass sie in einer Koalition mit der SPD nicht mehr ohne jede Rücksicht ihre Wahlkampftöne anschlagen kann“.
Das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) rechnet damit, dass die Zahl der Rumänen und Bulgaren in Deutschland 2014 um 100 000 bis 180 000 steigen könnte. Derzeit leben in Deutschland gut 370 000 Bürger aus beiden Staaten. Die beiden Ländern rangieren bei den Durchschnittslöhnen in der EU auf den letzten beiden Plätzen.
Die amtlichen Forscher der Bundesagentur für Arbeit halten in ihrem Bericht aber auch fest: „Die Zahlen zur Beschäftigung und zum Leistungsbezug rechtfertigen es gegenwärtig nicht, die Zuwanderung aus Bulgarien und Rumänien pauschal als "Armutszuwanderung" zu qualifizieren.“ Die Probleme konzentrierten sich auf einige strukturschwache Kommunen.
Laut IAB-Studie waren Mitte 2013 rund 10 Prozent aller Bulgaren und Rumänen in Deutschland auf Hartz-IV-Bezug angewiesen. Der Wert liegt zwar über der Quote der Gesamtbevölkerung (7,5 Prozent), aber deutlich unter der aller Ausländer in Deutschland (15 Prozent).
Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach sagte der „Welt“ (Online): „Betrug oder Missbrauch dürfen nicht geduldet werden.“
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt sagte, die CSU-Forderungen beträfen „ausdrücklich diejenigen Zuwanderer, die missbräuchlich Leistungen in Anspruch nehmen und damit unser Sozialsystem ausnutzen wollen“. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer versicherte: „Wir sind nicht gegen Zuwanderung gut Ausgebildeter und Qualifizierter. Aber wir wollen und können die sozialen Probleme anderer EU-Staaten nicht über das deutsche Sozialsystem lösen.“
Der Direktor des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit
(IZA), Klaus F. Zimmermann, bezeichnete dagegen im „Handelsblatt“ (Online) die CSU-Pläne als „soziale Brandstiftung“. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) reagierte „mit Kopfschütteln“. Man habe gar nicht genug Personal, um die Wiedereinreise von ertappten Sozialbetrügern an den Grenzen zu verhindern, sagte der Vorsitzende der Abteilung Bundespolizei, Josef Scheuring.