Überschätztes Allheilmittel? Debatte um erweiterte DNA-Analyse

Stuttgart (dpa) - Ermittler und Politiker fordern mehr Möglichkeiten bei DNA-Analysen. Anlass ist die Vergewaltigung und Ermordung einer Studentin in Freiburg. Dort haben die Ermittler einen jungen Afghanen als Verdächtigen festgenommen - nachdem ein gefundenes Haar sie auf seine Spur gebracht hatte.

Worum geht es bei einer DNA-Analyse?

Die DNA ist der Träger der menschlichen Erbsubstanz. Für eine Analyse reichen geringste Spuren wie Hautschuppen, Haare, Sperma oder Speichelreste. Damit kann die Identität eines Menschen nahezu sicher festgestellt werden. Gesetzlich geregelt ist das Thema in der Strafprozessordnung. Beim Bundeskriminalamt wurde 1998 eine zentrale DNA-Analyse-Datei eingerichtet. Gespeichert sind darin Daten von Beschuldigten, verurteilten Straftätern und von am Tatort gesicherten Spuren. Damit konnten nach Angaben des Bundesinnenministeriums rund 1360 Tötungsdelikte, 2370 Sexualstraftaten, 8200 Raub- und Erpressungsfälle sowie 94 200 Diebstahl-Delikte aufgeklärt werden.

Was darf bei einer DNA-Analyse festgestellt werden?

Bislang darf die DNA nur im Hinblick auf das Geschlecht und zur Feststellung der Identität analysiert werden. Dabei wird die am Tatort gefundene Erbsubstanz mit der eines Verdächtigen verglichen. Die Erhebung weiterer Merkmale wie Augen-, Haar- oder Hautfarbe ist verboten, obwohl sie nach Darstellung des baden-württembergischen Justizministeriums mit einer Vorhersagegenauigkeit von 75 bis 98 Prozent festgestellt werden könnten. Die Konferenz der Justizminister von Bund und Ländern will im Frühjahr über eine mögliche Ausweitung beraten. Denn dazu wäre eine Gesetzesänderung auf Bundesebne nötig.

Was sagen die Befürworter einer Ausweitung der DNA-Analyse?

Die Befürworter argumentieren, dass bei schweren Straftaten die DNA-Spuren am Tatort oft die einzigen Beweismittel sind. Der CDU-Rechtsexperte im baden-württembergischen Landtag, Bernhard Lasotta, verweist auf die Niederlande. Sie hätten mit ihrer Regelung zur Feststellung von äußeren Merkmalen eines möglichen Tatbeteiligten gute Erfahrungen gemacht. „Die DNA-Analyse konnte auch zur Entlastung zunächst und vorschnell verdächtiger Personen führen.“ Baden-Württembergs Justizminister Guido Wolf (CDU) argumentiert: „Im Prinzip ist dies mit dem Fall vergleichbar, in dem ein Täter bei einer Straftat zufällig gefilmt oder fotografiert wird. Auch in diesen Fällen würden wir uns dann die Aufnahmen anschauen und versuchen, alle erkennbaren Merkmale des Täters zu identifizieren.“

Was sind die Bedenken gegen eine erweiterte DNA-Analyse?

„Ermittlungen sind hochkomplex und deshalb gibt es keine Wundermittel“, sagt etwa Baden-Württembergs Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand. Es handele sich um hochsensible Daten, deren Nutzung auf schwere Straftaten begrenzt werden müsse. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Jan Korte meint: „Es ist falsch, die weitergehende DNA-Analyse zum Allheilmittel der Kriminalitätsbekämpfung auszurufen. Dazu ist sie zu fehleranfällig und riskant.“ Die Amadeu-Antonio-Stiftung, die sich gegen Antisemitismus, Rassismus und rechte Gewalt engagiert, ist gegen eine Ausweitung der DNA-Analyse. Für ihre Bildungsreferentin Golschan Ahmad Haschemi fällt eine Auswertung nach Haar-, Haut- und Augenfarbe unter das „Racial Profiling“ (ethnisches Profiling), bei dem jemand allein wegen seiner Rasse ins Visier der Ermittler gerät.

Gibt es ein Beispiel für eine irreführende DNA-Spur?

Ja. Linken-Politiker Korte erinnert etwa an den Mordfall der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn. Damals jagten die Ermittler ein „Phantom“, weil Wattestäbchen, die zur Spurensicherung am Tatort eingesetzt wurden, durch die DNA einer Mitarbeiterin einer Verpackungsfirma verunreinigt waren. Der Fall Freiburg zeigt nach Kortes Ansicht, dass die Ermittler mit den Instrumenten, die ihnen bisher zur Verfügung stehen, erfolgreich arbeiten.