Der berühmteste Friedenspreis wird zum Frauenpreis
Kopenhagen/Oslo (dpa) - Statt der männlichen Preis- und Schlipsträger werden am 10. Dezember in Oslo farbenfrohe Gewänder aus Afrika und das Kopftuch einer Muslimin das Bild bestimmen.
Denn zum ersten Mal in 110 Jahren Nobelpreisgeschichte geht der Friedenspreis an drei Frauen: die Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf und die Menschenrechtlerin Leymah Gbowee aus Liberia und die Journalistin Tawakkul Karman aus dem arabischen Jemen. Ganze 15 Frauen haben seit 1901 die Auszeichnung bekommen. Und auch dieses Jahr gab es in den anderen Nobel-Disziplinen ausschließlich männliche Preisträger.
Von einer Frauenquote will Komiteechef Thorbjörn Jagland aber nichts wissen: „Die Drei erfüllen komplett die Anforderungen aus dem Testament von Alfred Nobel für den Friedensnobelpreis.“ Der 1896 gestorbene schwedische Ingenieur hatte verfügt, dass die Auszeichnung an den oder die zu vergeben sei, der oder die „am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt hat“.
Die beiden Frauen aus dem westafrikanischen Liberia werden für ihren Einsatz zur Rettung ihres Landes vor fast apokalyptischer Bürgerkriegs-Gewalt geehrt. Die Muslimin Karman für das frühe, mit drei eigenen Kindern sehr mutige und gewaltlose Engagement gegen die brutale Diktatur im Jemen. Im Unterschied zu Liberia sind dort Proteste auch heute noch an der Tagesordnung. Auch am Freitag wurde in Sanaa wieder demonstriert.
Für beide Länder wies Jagland darauf hin, dass die Folgen von Krieg und Gewaltherrschaft Frauen besonders hart treffe: In Liberia während des Bürgerkriegs unter anderem durch systematische Vergewaltigung als „Kriegsmittel“ und im streng islamischen Jemen durch weitgehenden Ausschluss von Frauen aus dem öffentlichen Leben. „Es ist nun mal so, dass der fehlende Zugang der Frauen zu allen Bereichen der Gesellschaft in der islamischen Welt eins der grundlegenden Probleme ist.“
Dass der Friedensnobelpreis im selben Jahr in völlig verschiedene Länder geht, gehört ebenfalls zu den großen Ausnahmen. Mit der Kombination schafften es die Juroren, wie erwartet den „Arabischen Frühling“ zu ehren, gleichzeitig aber auch eine weltweites Signal gegen Krieg und die Unterdrückung von Frauen zu setzen.
„Dieser Preis wird wohl nicht so kontrovers aufgenommen werden wie die letzten“, sagte Jagland. Damit dürfte er recht behalten: Vor zwei Jahren galt die Sensationsentscheidung für US-Präsident Barack Obama vielen als zu früh. Letztes Jahr reagierte Chinas Regierung extrem hart auf die Vergabe an den inhaftierten Oppositionellen Liu Xiaobo.
Auf die Vergabe an die drei Frauen gab es sehr schnell und einhellig begeisterte Reaktionen. Aufmerksam, aber nach außen still, haben das sicher auch vier norwegische Frauen registriert: Sissel Rønnebeck, Kaci Kullmann Five, Ågot Volle und Inger-Marie Ytterhorn sind alle Mitglieder im Osloer Nobelkomitee. Jagland ist das einzige männliche Mitglied. Und der Vorsitzende.