Der Fall Edathy: Razzien hatten monatelangen Vorlauf
Berlin (dpa) - Am 22. August ist für den SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy die Welt noch in Ordnung: Als Chef des Untersuchungsausschusses zur rechtsextremen Terrorgruppe NSU legt der 44-Jährige den Schlussbericht vor.
Einen Monat später gewinnt er bei der Bundestagswahl den Kreis Nienburg II/Schaumburg mit 44,6 Prozent der Erststimmen. Dem allseits respektierten Innenpolitiker scheinen in Berlin alle Türen offen zu stehen - doch wenige Wochen später muss er um seine Karriere und seinen Ruf kämpfen.
Oktober 2013: Die kanadische Polizei gibt laut Medienberichten nach dreijährigen Ermittlungen gegen einen internationalen Kinderporno-Ring Hinweise an das Bundeskriminalamt, dabei fällt auch der Name Edathy. BKA-Chef Jörg Ziercke informiert laut „Bild“ den Staatssekretär des damaligen Innenministers Hans-Peter Friedrich (CSU). Letzterer wiederum informiert am Rande der Koalitionsverhandlungen SPD-Chef Sigmar Gabriel, dass mögliche Ermittlungen anstehen. Gabriel erzählt Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier davon, auch Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann wird eingeweiht. Oppermann lässt sich die Information telefonisch vom BKA-Präsidenten bestätigen.
Ende November 2013: Der innenpolitische SPD-Fraktionssprecher Michael Hartmann spricht Oppermann darauf an, dass es Edathy gesundheitlich schlecht geht.
Dezember 2013: Oppermann informiert seine Nachfolgerin Christine Lambrecht über den Verdacht gegen Edathy. Spätestens im Dezember scheint auch Edathy etwas mitbekommen zu haben: Laut NDR und „SZ“ soll sich ein von Edathy beauftragter Anwalt bei mehreren Staatsanwaltschaften nach bevorstehenden Ermittlungen erkundigt haben.
Anfang Januar: Edathy meldet seiner Fraktion, dass er krankgeschrieben ist.
Freitag, 7. Februar: Edathy legt nach 15 Jahren sein Bundestagsmandat nieder und nennt dafür gesundheitliche Gründe.
Montag, 10. Februar: Die Staatsanwaltschaft Hannover lässt die Wohnungen Edathys im niedersächsischen Rehburg und Berlin sowie weitere Büros durchsuchen. Die Ermittler machen aber keine Angaben, was sie ihm zur Last legen. Laut SPD-Kreisen hält sich der 44-Jährige zu diesem Zeitpunkt schon in Dänemark auf. Lambrecht betont, dass sie die Ermittlungsgründe nur aus Medienberichten kenne - die SPD sieht keinen Widerspruch dazu, dass Lambrecht bereits über den Verdacht informiert war.
Dienstag, 11. Februar: Edathy weist in einer Erklärung den Verdacht auf Besitz von Kinderpornografie zurück.
Mittwoch, 12. Februar: Edathy erhebt Vorwürfe gegen die Staatsanwaltschaft Hannover. Die Razzien in seinen Wohnungen und Büros seien unverhältnismäßig und widersprächen rechtsstaatlichen Grundsätzen. Ermittler durchsuchen ein weiteres Büro Edathys in Rehburg.
Donnerstag, 13. Februar: Überraschend rückt die SPD-Spitze mit der Information heraus, bereits seit Oktober über mögliche Ermittlungen gegen Edathy im Bilde zu sein. Die Durchstecherei aus dem Bundesinnenministerium stößt bei den Ermittlern in Hannover auf heftige Kritik. „Das grenzt an Strafvereitelung“, sagt ein Vertreter der Ermittlungsbehörden. Bei den Durchsuchungen stellte die Polizei laut übereinstimmenden Medienberichten nur einen intakten Computer und Reste zerstörter Festplatten sicher.