Analyse Der Maut-Minister will aus der Sackgasse

München/Brüssel (dpa) - Ein Lob kann auch eine Last sein, selbst wenn es nicht mehr ganz taufrisch ist. „Ein Alexander Dobrindt scheitert nicht“, verkündete CSU-Chef Horst Seehofer Ende 2013.

Da stand gerade fest, dass sein Parteifreund als Bundesverkehrsminister eine heikle Mission aufgetragen bekam: das spezielle CSU-Prestigeprojekt einer Pkw-Maut unter den noch spezielleren Bedingungen des schwarz-roten Koalitionsvertrags wahr zu machen - und zwar erst recht, weil sonst fast niemand daran glaubt.

Pünktlich zum CSU-Parteitag ist Dobrindt nun überraschend wieder obenauf. Doch die Zeit läuft ihm davon, und eine Erfolgsgarantie besteht trotz neuer Wendungen immer noch nicht.

Mit markigen Ankündigungen hält sich der frühere Generalsekretär denn auch zurück, als er am Freitag entspannt zur Parteitagshalle kommt. Es sei doch „eine gute Entwicklung“, wenn nach monatelangem Streit nun eine baldige Verständigung mit der EU-Kommission in Sicht ist, lässt der 46-Jährige nur durchblicken. Dabei kommt es ihm natürlich zupass, dass die Botschaft und seine vertraulichen Verhandlungen mit Brüssel just am Vorabend des CSU-Kongresses bekannt wurden. Hatten doch wohl die meisten damit gerechnet, dass die Maut bis auf weiteres in der Sackgasse vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) steht.

Dass es nun wieder Bewegung gibt, liegt auch an einem plötzlichen Schwenk, wie ihn Dobrindt in Sachen Maut nicht zum ersten Mal hingelegt hat. Dabei bestand die erste Aufgabe darin, das Projekt überhaupt am Leben zu halten. Da war der Satz von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) aus dem TV-Wahlkampfduell 2013: „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben.“ In den Koalitionsvertrag ließ sie die Maut dann bekanntlich trotzdem. Aber mit der ersten Bedingung, dass dadurch „kein Fahrzeughalter in Deutschland stärker belastet wird als heute“. Und der zweiten, dass die Ausgestaltung „EU-rechtskonform“ sein muss.

Um Widerstand der CDU in Grenzländern wie Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz auszuräumen, schrumpfte Dobrindt eine eigentlich geplante Überall-Maut auf Autobahnen und Bundesstraßen zusammen. Fahrer aus dem Ausland sollen nur für Autobahnen zahlen. Nun ist er auf Druck der EU sogar zu nachträglichen Änderungen an besiegelten Gesetzen bereit - nachdem er doch immer wieder betont hatte, es sei schon alles EU-gemäß. Das werde sich vor dem EuGH herausstellen.

EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker kann nun darauf hinweisen, dass Deutschland das kritisierte Modell korrigieren will. Und behaupten, auch noch etwas für den Umweltschutz zu tun. Denn um den Hauptpunkt der Ausländer-Benachteiligung zu entkräften, könnte eine höhere Kfz-Steuerentlastung für umweltschonende Wagen kommen - und die würde so ein Stück weiter von der direkten Maut-Entlastung für Inländer weggerückt.

Dabei ist die Brüsseler Behörde ein Anhänger von Mautsystemen in Europa. Man teile mit Berlin das Ziel, den Wechsel von der Steuer- hin zur Nutzerfinanzierung der Verkehrsinfrastruktur voranzutreiben, sagte eine Sprecherin.

Am Ziel ist Dobrindt trotz der neuen Harmonie mit Brüssel noch nicht. Natürlich haben auch die Berliner Koalitionspartner mitzureden, wie es weitergeht. „Die CSU sollte besser noch keinen Autokorso durch München planen, denn es gibt keinen Durchbruch bei der Maut“, warnt SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel.

Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) besteht darauf, dass die ganze Operation dem Staat unter dem Strich auch weiterhin mehr Geld einbringen muss. Sonst wäre ja es eine „kontraproduktive Initiative“. Auch in ganz praktischer Hinsicht wären noch eine Reihe von Vorbereitungen nötig, wenn Brüssel die Maut billigt.

Dobrindt vermeidet denn auch forsche Ankündigungen, wie er sie schon einmal kassieren musste: „Am 1. Januar 2016 wird die Pkw-Maut scharf gestellt.“ Einen neuen Tag X nennt er nun nicht, nur so viel: Der Termin werde „in der nächsten Wahlperiode“ liegen - also nach der Wahl 2017, die auch über den künftigen Maut-Minister entscheidet.