Analyse Die CSU, Merkel und die Suche nach der Union der Zukunft

München (dpa) - Außer den Journalisten scheint Kanzlerin Angela Merkel (CDU) dann doch niemand so recht auf dem CSU-Parteitag zu fehlen. „Wir reden bald jeden Tag miteinander, so dass ein Gefühl des Vermissens gar nicht entsteht“, sagt Parteichef Horst Seehofer bei seiner Ankunft.

Klar wäre es besser, wenn die beiden Spitzen der Unionsparteien gemeinsam auftreten würden. „Aber nachdem wir die Differenz bis zur Stunde nicht so bewältigen konnten, dass wir eine Einigkeit präsentieren können, ist es jetzt besser so.“ Punkt.

Dass Merkel erstmals seit ihrer Wahl an die CDU-Spitze 2000 und ins Kanzleramt 2005 nicht zum Parteitag eingeladen wurde, sei kein Indikator für eine neue Krise, sondern Ergebnis einer noch laufen Aufarbeitung alter Probleme. Wie in den vergangenen Tagen betont Seehofer auch sofort, wie gut die Aufarbeitung der Differenzen zwischen ihm und der prominenten Abwesenden vorankomme. „Die Stimmung ist entspannt. Wir haben jetzt viele Kontakte gehabt, auch Vier-Augen-Gespräche und das ist sehr, sehr sachorientiert ohne jede persönliche Verstimmung, aber ehrlich“, so der CSU-Chef.

Hätten die beiden ungleichen Parteichefs doch bloß schon vor einem Jahr diese Art der Kommunikation gepflegt, denken da wohl nicht nur die Merkelbefürworter in der CSU. Es hätte der Union viel Ärger erspart, das weiß inzwischen auch ein im „höheren Alter klüger werdender“ Seehofer. „Einen Dissens auf offener Bühne auszutragen, wäre ein grober politischer Fehler. Ich habe da so meine Erfahrungen“, betont er. Seehofer bedauert damit erstmals öffentlich die geschichtsträchtige Standpauke für Merkel an gleicher Stelle vor einem Jahr. Zugleich verteidigt er auch die Entscheidung, dass Merkel an diesem Tag nicht eingeladen wurde.

Der Streit hat aber nicht nur für viele Schlagzeilen gesorgt, er hat der Union auch weh getan, wie Seehofer weiß: „Vor gut einem Jahr lagen wir als Union bei über 40 Prozent.“ Im Jahr nach der Aufnahme Hunderttausender Flüchtlinge in Deutschland ist Seehofer an diesem Tag aber nicht mehr an Schuldzuweisungen interessiert, er sieht sich mehr als sorgenvoller Mahner. 2017 stehe für die CSU wieder einmal ein „existenzieller Wahlkampf“ an. „Wenn wir 2017 verlieren, werden wir auch 2018 nichts gewinnen“. Dann steht in Bayern die Landtagswahl an.

Anders als vor einem Jahr ist Seehofers Rede auch nicht vor Wut schäumend, sondern ruhig und nüchtern. „Die Zeiten sind alles andere als einfach. (...) Trotzdem bin ich noch nie so gerne vor einen Parteitag getreten, um Rechenschaft abzulegen und nach vorne zu schauen“, sagt er. Für einige seiner Parteifreunde ist die Ansprache insbesondere in der ersten Stunde viel zu behäbig, da sie kein neues Aufbruchsignal beinhaltet. Erst zum Ende wird der Applaus lauter.

Mehr als eineinhalb Stunden dauert die Rede, in der Seehofer nicht nur betont, wie wichtig die Umsetzung aller politischen Versprechen in Berlin und Bayern für erfolgreiche Wahlen in den kommenden beiden Jahren seien: „Unsere Erfolge sind groß und sie sind kein Wunder der Natur oder ein Geschenk des Himmels“. Die Menschen würden sich aber nur bedingt für die Vergangenheit interessieren. „Vergangenes ist wichtig, aber die Menschen wählen die Zukunft.“

Dazu passend greift Seehofer selbst die Steilvorlage seines Parteifreundes und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt zum beinahe gescheitert geglaubten CSU-Vorzeigeprojekt Pkw-Maut nur kurz und knapp auf. Kein Triumph stünde nun an, sondern Arbeit.

Auf dem Weg zu der von Seehofer und Merkel gewünschten neuen Geschlossenheit für die Union hat die CSU eine schon immer erfolgreiche Taktik zur Lösung interner Streitigkeiten gewählt: Der zusammenschweißende Kampf gegen einen gemeinsamen Feind. „Unser Gegner ist nicht die CDU“, sagt er. Der heiße Rot-Rot-Grün. „Wie wollen keine linke Republik.“

Mit Blick auf die Bundestagswahl dürfte die CSU damit auch viele in der CDU mit im Boot haben. Genau darin liegt eine Hoffnung: ein grundsätzlicher Konsens dürfte auch über einzelne Unterschiede - etwa der Einführung einer Obergrenze für Zuwanderer oder einer erweiterten Mütterrente - hinwegtrösten. Hüben wie drüben. Ob er jedoch auch ausreicht, die Union wie von Seehofer gewünscht wieder näher an die 40 Prozentmarke im Bund zu bringen, muss sich zeigen.