Der „Stehende Mann“ vom Taksim: Resignierte Ikone der Gezi-Proteste

Istanbul (dpa) - Für ein Symbol will er nicht gehalten werden. Erdem Gündüz findet, dass jeder Türke passiven Widerstand gegen die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan leisten kann.

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„Was ich getan habe, kann jeder zu jeder Zeit nachmachen“, sagt der 34-Jährige in einem Café in Istanbul. „Aber Kritik gegen das bestehende System wird immer schwieriger. Erdogan lässt nichts unversucht, Kritiker zu unterdrücken“, sagt er.

Der Tänzer, Choreograph und Performance-Künstler wurde international bekannt als „Standing Man“, als „Stehender Mann“ vom Istanbuler Taksim-Platz. Mit seiner stillen Anklage während der landesweiten Proteste, die am 31. Mai vergangenen Jahres vom Gezi-Park am Taksim-Platz aus ihren Anfang nahmen, wurde er zu einem Idol des friedlichen Widerstandes gegen die Regierung.

Während sich Demonstranten und Polizisten regelmäßig erbitterte Straßenschlachten lieferten, stellte Gündüz sich regungslos auf den Taksim-Platz und schaute stumm auf das Atatürk-Kulturzentrum. Er schwieg auch, als irritierte und zunehmend hilflose Polizisten ihn zum Weggehen aufforderten. Erst nach acht Stunden verließ er den Taksim-Platz - freiwillig, und durch die rasante Verbreitung der Aktion über soziale Medien international bekannt.

Das Schweigen „war ein Teil des Spiels“, sagt der Performance-Künstler. „Wenn ich gesprochen hätte, wäre eine Diskussion entstanden, dann hätten mich die Polizisten ganz schnell abgeführt.“ Während seines stummen Protestes habe er an eine Rede von Republikgründer Mustafa Kemal Atatürk gedacht. „Atatürk hat uns die Freiheitsrechte gegeben, welche uns die (Regierungspartei) AKP nun wegzunehmen versucht.“

Die Idee zum „stehenden Mann“ sei ganz spontan entstanden, sagt er. Gündüz hat sich äußerlich nicht verändert. Die lockigen, braunen Haare sind immer zu einem Zopf zusammengebunden, er sieht immer noch so schlaksig aus wie auf den Bildern des Vorjahres. Wiederholen kann und will er die Aktion, die weltweit Nachahmer fand, nicht mehr. „Dann würde ich mich ja selbst kopieren.“

Überhaupt sei eine Neuauflage des Protestsommers nicht mehr möglich, glaubt Gündüz. Sobald irgendwo ein paar Demonstranten auftauchten, würden sie sofort von Polizisten umzingelt. „Die Menschen haben Angst bekommen, sogar online trauen wir Regierungskritiker uns nicht mehr, uns zu vernetzen“, sagt er resigniert.

Gündüz selbst kann sich mittlerweile vorstellen, seine Heimat zu verlassen. Nichts habe sich nach den Gezi-Protesten zum Guten verändert, im Gegenteil: „Die Situation wird immer schlimmer. Kritiker werden verhaftet, die Umwelt wird zerstört, und die Regierung macht, was sie will.“