Ein Leben zwischen „Sissi“ und Äthiopien

München (dpa) - Wenn Karlheinz Böhm ins Land kam, wurde er gefeiert wie ein König. Doktor Karl und Vater Karl nannten ihn die Äthiopier, in der Landessprache Amharisch: Abo Karl. Plätze und Berge tragen seinen Namen.

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In dem afrikanischen Land fand der Schauspieler die Rolle seines Lebens - mit seiner Äthiopienhilfe „Menschen für Menschen“ hat er Millionen Menschen die Chance auf ein besseres Leben gebracht. Dem Glanz und Glamour des Films trauerte er keine Minute nach.

„Wenn ich das vergleiche: Ein Menschenleben zu retten und alle Erfahrungen, die ich als Schauspieler gemacht habe - was soll ich da vermissen?“, sagte er zu seinem 80. Geburtstag. Am Donnerstagabend ist Böhm in seinem Haus im österreichischen Grödig bei Salzburg im Alter von 86 Jahren gestorben. Seine Familie war bei ihm.

Ihr Mann sei für sie Vorbild und Motivation, ließ seine äthiopische Frau Almaz mitteilen. „So schwer mich sein Verlust trifft, so sehr gibt mir der Glaube an seine Vision Kraft, sein Lebenswerk weiterzuführen.“ Die 49-Jährige hatte im vergangenen Dezember den hauptamtlichen Vorstandsvorsitz der Stiftung abgegeben, um sich um ihren schwer kranken Mann zu kümmern. Dass er an Alzheimer litt, wurde offiziell nie bestätigt.

Almaz Böhm war Böhms vierte Frau. Die gemeinsamen Kinder Nicolas und Aida sind inzwischen erwachsen; insgesamt hat Böhm sieben Kinder aus verschiedenen Ehen. Eine Tochter heißt Sissi - in der Rolle als „Märchenkaiser“ Franz Joseph in den Sissi-Filmen an der Seite von Romy Schneider war Böhm über Deutschlands Grenzen berühmt geworden. Sie wurden sogar in Äthiopien auf Freiluftleinwänden gezeigt - die Äthiopier waren neugierig auf das frühere Leben ihres Unterstützers.

Seine Schauspielkarriere hatte Böhm 1949 am Wiener Burgtheater neben O. W. Fischer begonnen. Bald folgten für den Sohn des Dirigenten Karl Böhm TV-Rollen und Kinofilme. Maßgeblich beeinflusste ihn die Arbeit mit Rainer Werner Fassbinder, die sein sozialkritisches Denken schärfte.

Die Wende in seinem Leben brachte eine Reise nach Afrika. Aufgewühlt auch durch Berichte über Hunger und Not in Afrika wettete er dann in Frank Elstners „Wetten, dass..?“-Sendung am 16. Mai 1981, dass nicht jeder Zuschauer eine Mark, einen Franken oder sieben Schilling für die notleidenden Menschen spenden würde. Böhm behielt recht. Dennoch kam ein Millionen-Betrag zusammen - er gründete die Äthiopienhilfe „Menschen für Menschen“.

Während es heute für Prominente zum guten Ton gehört, sich für soziale Projekte zu engagieren, war Böhm damals Vorreiter und Visionär. Die Konsequenz, mit der er seine Schauspiel-Karriere aufgab und seine ganze Kraft in das Projekt steckte, bleibt bis heute eine Ausnahme. „Es gibt keine erste, zweite oder dritte Welt. Wir leben alle auf ein und demselben Planeten, für den wir gemeinsam Verantwortung tragen“, zitiert die Stiftung das Lebensmotto Böhms. Das lebte Böhm eindrucksvoll vor.

Rund 360 Schulen sind unter Anleitung von „Menschen für Menschen“ entstanden. Mit der Bevölkerung wurden Hunderte Brunnen gebohrt, brachliegendes Land wieder nutzbar gemacht, Gesundheitsstationen eingerichtet und Kliniken gebaut. Kleinstkredite ermöglichten Frauen erstmals die Selbstständigkeit. Ein Programm von landwirtschaftlichen Schulungen bis zur Familienplanung setzt auf Hilfe zur Selbsthilfe.

„Ich habe keine Bedingung gestellt - außer dass man keine Bedingungen an mich stellt“, fasste Böhm einmal seine Übereinkunft mit der äthiopischen Regierung zusammen. Böhm hat sich in Äthiopien nie politisch geäußert - doch seine Arbeit wirkte tief in Gesellschaft und Politik hinein.

Vor gut 15 Jahren fasste er ein besonders heißes Eisen an: die Beschneidung von Mädchen. Schockiert vom Tod eines kleinen Mädchens startete er eine Kampagne - mit Erfolg. Die Aufklärung greift, und die Regierung hat Beschneidung und Frühverheiratung von Mädchen im ganzen Land verboten.

Der Tod Böhms war in Äthiopien zunächst noch nicht bekannt, die Nachricht sollte am Freitagabend im Radio gesendet werden. Viele machten sich schon länger Sorgen um Abo Karl. „Ich glaube, er ist alt geworden“, sagte vor drei Jahren Mulugeta Shiffraw, den Böhm persönlich als Lehrer eingestellt hatte. „Ich liebe ihn sehr.“

Böhm bleibt Äthiopien erhalten - mit seiner Arbeit. Am „Karl Square“ in Addis Abeba gibt es bereits eine Böhm-Skulptur, mit offenen Armen.