Deutsche Hilfsflüge in den Irak
Berlin/Erbil (dpa) - Deutschland startet Hilfsflüge in den Irak. Vier Bundeswehrflugzeuge bringen zunächst knapp 36 Tonnen Medikamente, Lebensmittel und Decken in das Krisengebiet im Norden.
Dort ist die Miliz Islamischer Staat (IS) auf dem Vormarsch und terrorisiert Minderheiten. Die Notlage der Jesiden, die vor den Extremisten ins Sindschar-Gebirge geflohen sind, hat sich etwas gemildert: Auf dem kargen Höhenzug sind laut UN nur noch rund 1000 Menschen eingeschlossen, rund 80 000 gelang in den vergangenen fünf Tagen die Flucht.
Wie die Bundeswehr mitteilte, fliegen die Transall-Flugzeuge die Hilfsgüter nach Erbil im kurdischen Autonomiegebiet. Dort werden sie UN-Organisationen übergeben.
Deutsche Waffenlieferungen an kurdische Einheiten oder die Regierungsarmee soll es zunächst nicht geben. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) machte aber klar, dass auch das eine Option ist. „Wir nutzen den Spielraum, den uns der politische und rechtliche Rahmen für Rüstungsexporte gibt“, sagte sie der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ (Freitag) auf eine entsprechende Frage. Es sei entsetzlich, was Menschen im Nordirak - Jesiden, Christen und andere - durch die Terrorgruppe Islamischer Staat erleiden würden. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte der „Bild“-Zeitung: „Wenn sich ein Völkermord nur mit deutschen Waffen verhindern lässt, dann müssen wir helfen.“
Auch sogenannte defensive Rüstungsgüter sind in dem ersten Transport nicht an Bord. Die Bundesregierung hatte sich aber grundsätzlich bereiterklärt, Unimog-Lastwagen, Schutzwesten oder Helme zu liefern.
Weil dem Großteil der Jesiden die Flucht aus dem Sindschar-Gebirge gelungen ist, verwarf das US-Militär einen zunächst erwogenen groß angelegten Rettungseinsatz. Das Pentagon teilte mit, Spezialeinheiten seien nach Erkundungen zu dem Schluss gekommen, dass sich dort wesentlich weniger Flüchtlinge aufhielten als angenommen. Nach US-Luftangriffen sei es vielen gelungen, mit Hilfe kurdischer Kämpfer der Belagerung durch die IS-Miliz zu entkommen. Zudem seien die Verfolgten nach Abwürfen von Nahrung und Wasser durch die US-Streitkräfte besser versorgt als noch vor einigen Tagen.
Präsident Barack Obama lobte die Luftschläge und Hilfslieferungen im Nordirak und zog ein zufriedenes Fazit. Dem Können des US-Militärs sowie der „Großzügigkeit unserer Leute“ sei es zu verdanken, dass die Belagerung des Gebirges durch Dschihadisten gebrochen worden sei. Die USA würden ihre Luftschläge gegen Stellungen von IS-Kämpfern sowie die Waffenlieferungen an Kurden und irakische Sicherheitskräfte aber fortsetzen.
Bei den Flüchtlingen handelt es sich vor allem um Jesiden, Angehörige einer religiösen Minderheit. Viele hatten über Tage bei großer Hitze fast ohne Wasser und Nahrung im Sindschar-Gebirge ausgeharrt.
Nach Angaben der UN-Mission im Irak (Uanmi) fanden rund 200 000 Menschen Zuflucht in der kurdischen Autonomieregion. Rund 50 000 gingen demnach ins benachbarte Syrien.
Die Türkei hat nach Angaben von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan bislang etwa 2000 jesidische Flüchtlinge aufgenommen. Hinter der Grenze hielten sich weitere rund 20 000 Jesiden auf, die geflohen seien, sagte Erdogan laut Nachrichtenagentur Anadolu. Er stellte auch diesen Flüchtlingen Unterstützung in Aussicht. Anadolu berichtete, der Katastrophenschutz wolle im Grenzort Sacho ein Flüchtlingscamp für rund 16 000 Jesiden errichten.
Wegen der Flüchtlingsströme riefen die Vereinten Nationen für den Irak die höchste Notstandsstufe aus. Das ermöglicht es, zusätzliche Hilfsgüter und Gelder zu mobilisieren. Der Irak ist nach Syrien, dem Südsudan und der Zentralafrikanischen Republik aktuell das vierte Land, in dem die UN einen Notstand der Stufe 3 erklärt haben.
Im Machtkampf in Bagdad schwindet der Rückhalt für Noch-Ministerpräsident Nuri al-Maliki. Der um sein Amt kämpfende Regierungschef verlor auch die Unterstützung seiner eigenen Dawa-Partei. In einer Erklärung forderte die Partei alle Blöcke des irakischen Parlaments auf, den designierten Ministerpräsidenten Haidar al-Abadi zu unterstützen.
Präsident Fuad Massum hatte Al-Abadi gegen den Widerstand Al-Malikis mit der Regierungsbildung beauftragt. Al-Maliki will selbst im Amt bleiben und beruft sich dabei auf seinen Wahlsieg Ende April. Fast alle anderen Kräfte verlangen jedoch seinen Rückzug.