Die AfD verschiebt ihren Fokus: Weg vom Asyl, hin zum Islam
Berlin (dpa) - Mit dem Rückgang der Flüchtlingszahlen droht der AfD der Verlust ihres wichtigsten Wahlkampfthemas. Auf der Suche nach Ersatz rückt die Partei jetzt das Feindbild Islam in den Mittelpunkt ihrer Mobilisierungsstrategie.
Dabei überbieten die verschiedenen Flügel und Machtzirkel der Partei einander mit steilen Thesen und kühnen Forderungen.
Die stellvertretende Parteivorsitzende Beatrix von Storch steht dabei an vorderster Front. Der Islam sei nicht nur eine Religion, sagt sie. Er sei eine verfassungsfeindliche „politische Ideologie“, die in Deutschland keine Heimat finden könne.
Damit zieht die stramm konservative Berliner AfD-Landeschefin nicht nur die Empörung vieler deutscher Muslime und Politiker auf sich. Sie behauptet gleichzeitig auch ihre Position im innerparteilichen Machtkampf. Ihr Verhältnis zu Parteichefin Frauke Petry sei schon einmal besser gewesen, hört man in der AfD.
Von Storch war schon in der Debatte um den Einsatz von Schusswaffen gegen Flüchtlinge an der Grenze durch schrille Töne aufgefallen. Mit ihren jüngsten Äußerungen zum Islam geht sie noch einen Schritt über den von ihr selbst mitverantworteten Leitantrag für das Grundsatzprogramm der Partei hinaus. Das Programm soll in zwei Wochen beim Bundesparteitag der AfD verabschiedet werden.
In dem Leitantrag steht zwar auch, „der Islam gehört nicht zu Deutschland“. Dennoch kommt die Kritik an der Religion und der gelebten Praxis in Deutschlands islamischen Gemeinden in dem Papier nicht ganz so brachial daher wie die jüngsten Äußerungen der Vize-Vorsitzenden. Und wie schon in der Diskussion über den Schießbefehl an der Grenze, so rudert „die Störchin“, wie sie intern genannt wird, auch diesmal auf dem Scheitelpunkt der von ihr selbst erzeugten Empörungswelle ein Stück zurück. Getreu der von Petry ausgegeben Medienstrategie: „Erst provozieren, dann differenzieren.“
Einen Tag nach der Veröffentlichung ihrer umstrittenen Äußerungen in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, sagt sie der Deutschen Presse-Agentur: „Die AfD steht uneingeschränkt für die Religionsfreiheit und das Recht zur freien Ausübung des Glaubens.“ Man müsse unterscheiden zwischen dem individuell gelebten Islam und dem politischen Islam. Der politische Islam ziele auf die Hinführung der Gesellschaft zur Scharia ab. Diese sei weder freiheitlich, noch demokratisch, sondern mit dem Grundgesetz unvereinbar. Und: „In Abgrenzung vom persönlichen Glauben der Muslime erhebt der Islam in den meisten Auslegungen einen politischen Herrschaftsanspruch, der unserer Trennung von Staat und Religion widerspricht.“
Auf die Frage, was das von ihr befürwortete Minarett-Verbot für die bereits in Deutschland existierenden Moscheen mit Minaretten bedeuten würde, bleibt sie eine Antwort schuldig.
Doch was wissen die Mitglieder der Alternative für Deutschland eigentlich über den Islam und über den Alltag in den deutschen islamischen Gemeinden? „Die halten sich alle für Islamkenner, aber in Wirklichkeit wissen die herzlich wenig“, sagt Aslan Basibüyük. Der Nachkomme türkischer Einwanderer ist selbst säkularer Muslim. Er trat 2013 in die AfD ein, weil er gegen „unkontrollierte Einwanderung“ und die „Bildung von Parallelgesellschaften“ kämpfen wollte. 2015 trat er wieder aus. Seinen Austritt begründet Basibüyük, der heute zu Bernd Luckes neuer Partei Alfa gehört, damit, dass ihm die AfD mit der Zeit zu „fremdenfeindlich“ geworden sei.
Viele muslimische Mitglieder hat die AfD heute nicht mehr. Dafür hat sie einen Islamwissenschaftler in ihren Reihen: Hans-Thomas Tillschneider ist Mitglied des Landtags in Sachsen-Anhalt. Er gehört zu den Strategen des rechtsnationalen AfD-Flügels um den Thüringer Landeschef Björn Höcke.
Am Entwurf für das Programm der Bundespartei hat Tillschneider nach Angaben von Parteisprecher Christian Lüth nicht mitgewirkt. Doch der Direktor des Zentrums für Islam und Recht an der Universität Erlangen-Nürnberg, Mathias Rohe, glaubt, Tillschneiders Handschrift in einem kürzlich aus Niederbayern lancierten Gegenantrag zum Leitantrag für das Parteiprogramm erkannt zu haben. Darin heißt es: „Solange der Bau und Betrieb von Moscheen nicht nur dem gemeinsamen Gebet, sondern auch der Verbreitung der auf die Beseitigung unserer Rechtsordnung gerichteten islamischen Lehre dient, ist er zu untersagen. Dem können auch abweichende Beteuerungen islamischer Geistlicher nicht entgegenstehen, denn der Koran lässt zur Erreichung seiner Ziele gegenüber Außenstehenden auch Lüge und Täuschung zu.“