Die Eingeweihten: Mitwisser im Fall Edathy unter Druck
Berlin/Wiesbaden (dpa) - Der Fall des SPD-Innenpolitikers Sebastian Edathy hat sich zu einer großen Politaffäre entwickelt. Einige hochrangige Leute wussten früh über die drohenden Ermittlungen gegen Edathy Bescheid - und reichten die Informationen weiter.
Durften sie das? Bundesagrarminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hat mit seinem Rücktritt am Freitag die Konsequenzen gezogen. Eine Übersicht über die wichtigsten Eingeweihten:
HANS-PETER FRIEDRICH (56): Ende Oktober 2013 - als er noch Bundesinnenminister war - gab der CSU-Politiker den Hinweis des Bundeskriminalamts zu Edathy an SPD-Chef Sigmar Gabriel weiter. Damals liefen gerade die Koalitionsverhandlungen von Union und SPD. Gegen Friedrich richtet sich nun der Vorwurf des Geheimnisverrats. Eigentlich hatte er abwarten wollen, ob ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet wird. Seinen Rücktritt wenige Stunden später begründete er dann auch mit schwindendem politischem Rückhalt. Friedrich hatte sich gerade erst im Agrarministerium eingerichtet, nachdem er das Innenressort abgeben musste. Als Innenminister handelte er sich mehrfach Ärger ein - zuletzt in der NSA-Spähaffäre. Friedrich ist Franke, verheiratet und hat drei Kinder.
SIGMAR GABRIEL (54): Der SPD-Chef und Vizekanzler ist der erste in der Kette, der die ihm von Friedrich gesteckten Informationen im Fall Edathy weitererzählt hat - an zwei SPD-Kollegen. Die Affäre ist für ihn nach Wochen des Höhenflugs unangenehm. Es steht die Frage im Raum, ob Edathy von irgendwoher einen Wink bekommen hat, dass Ermittlungen drohen. Als Bundeswirtschaftsminister will Gabriel die Energiewende auf Kurs bringen und den Strompreis bändigen. Als SPD-Chef hat er in einem klugen Prozess seine Partei von der großen Koalition überzeugt und der Union viel abgetrotzt. Gabriel ist verheiratet mit einer Zahnärztin, sie haben eine kleine Tochter.
THOMAS OPPERMANN (59): Sah sich schon als Innenminister, ist bestens vernetzt. Wäre gerne ins Kabinett gegangen, aber Gabriel brauchte nach dem Wechsel von Frank-Walter Steinmeier ins Außenamt einen fähigen Nachfolger als SPD-Fraktionschef. Oppermann - damals noch Fraktionsgeschäftsführer - rief im Herbst gleich beim BKA-Präsidenten an, als Gabriel ihm von dem Fall Edathy erzählt hatte, und ließ sich die Angaben angeblich bestätigen. Ging mit einer Erklärung in die Offensive, die die ganze Turbulenzen auslöste. Sagt wie Gabriel, er habe nie mit Edathy darüber geredet - es sei Vertraulichkeit vereinbart worden. Im Dezember weihte er noch seine Nachfolgerin als Fraktionsgeschäftsführerin, Christine Lambrecht, ein. Auch er ist wie Gabriel und Edathy Niedersachse, verheiratet und hat vier Kinder.
JÖRG ZIERCKE (66): Leitet seit 2004 Deutschlands oberste Polizeibehörde, das Bundeskriminalamt (BKA). Der gebürtige Lübecker hat das Polizeihandwerk von der Pike auf gelernt. In zehn Jahren an der BKA-Spitze sah der SPD-Mann Ziercke vier Bundesinnenminister als Chefs kommen und gehen und vertrat kraftvoll die Interessen seines über 5000 Beamte starken Apparates. Vom BKA aus gelangte der Hinweis auf Edathy zu Friedrich. Ziercke widerspricht aber Oppermanns Angaben über das gemeinsame Telefonat: Der oberste BKA-Mann betont, er habe sich nicht zum Sachverhalt geäußert. Ziercke und Edathy begegneten sich im NSU-Untersuchungsausschuss: Edathy als Vorsitzender, Ziercke als Zeuge. Sie gerieten dort wegen der Rolle des BKA im Fall NSU aneinander.