Die Erklärung von Bernd Lucke zum Austritt aus der AfD
Berlin (dpa) - Der AfD-Mitbegründer und Ex-Vorsitzende Bernd Lucke hat seinen Austritt aus der Alternative für Deutschland angekündigt. Die Deutsche Presse-Agentur dokumentiert seine am Mittwochabend veröffentlichte schriftliche Erklärung:
„Ich möchte Sie darüber informieren, dass ich am Freitag, dem 10.7.2015, aus der AfD austreten werde. Am selben Tag werden auch Ulrike Trebesius und sehr viele Funktionsträger und einfache Mitglieder die Partei verlassen. Wir werden diesen Schritt tun in der festen Absicht, auch weiterhin für die politischen Ziele einzustehen wegen derer wir gewählt wurden.
In der AfD sehe ich dafür leider keine Möglichkeit mehr, ohne gleichzeitig als bürgerliches Aushängeschild für politische Vorstellungen missbraucht zu werden, die ich aus tiefer Überzeugung ablehne. Dazu zählen insbesondere islamfeindliche und ausländerfeindliche Ansichten, die sich in der Partei teils offen, teils latent, immer stärker ausbreiten und die ursprüngliche liberale und weltoffene Ausrichtung der AfD in ihr Gegenteil verkehren.
Dazu zählt ferner eine antiwestliche, dezidiert prorussische außen- und sicherheitspolitische Orientierung, die sich in schmähender und jedes vernünftige Maß übersteigender Kritik an den USA äußert, während gleichzeitig die russische Politik vehement verteidigt wird. Die damit einhergehende Auffassung, dass Deutschland aus der NATO oder aus der EU austreten solle, halte ich für falsch und verantwortungslos. Sie widerspricht im übrigen den bisherigen programmatischen Beschlüssen der AfD, gewinnt aber zusehends an Boden.
Völlig inakzeptabel sind für mich auch die immer lauter werdenden Rufe von Parteimitgliedern, die bezüglich unserer Wirtschafts- und Finanzordnung oder bezüglich unserer parlamentarischen Demokratie die „Systemfrage“ stellen wollen oder die Souveränität Deutschlands abstreiten, indem auf ein angeblich fortbestehendes Besatzungssystem oder Machenschaften amerikanischer Verschwörerkreise verwiesen wird.
Mein Austritt aus der AfD fällt mir nicht nur wegen meines eigenen Einsatzes für den Aufbau einer neuen, sachlich und konstruktiv wirkenden politischen Kraft unendlich schwer, sondern auch, weil es in der AfD immer noch viele treue und liebenswerte Mitglieder gibt, an deren politischen Auffassungen nichts zu kritisieren ist und die sich unermüdlich für die ursprünglichen Ziele der AfD aufgerieben haben. Ich kann diese Mitglieder nur um Verzeihung bitten! Ich habe sicherlich Fehler gemacht und zu den größten gehört zweifellos, dass ich zu spät erkannt habe, in welchem Umfang Mitglieder in die Partei drängten, die die AfD zu einer Protest- und Wutbürgerpartei umgestalten wollen.
In Essen ist in erschreckender Weise zutage getreten, wie sehr letztere inzwischen in der Mehrheit sind. Sie werden von den wichtigsten Verantwortungsträgern der Partei nicht etwa gebremst, sondern sogar noch aufgeputscht. Damit ist das Ringen um die Zukunft der AfD aussichtslos geworden. Ich danke allen, die ein Stück des Weges mit mir gegangen sind und für die wahren Ziele der AfD gekämpft haben. Jetzt aber ist die Partei unwiederbringlich in die falschen Hände gefallen. Bewährte und vernünftige Mitglieder verlassen in vierstelliger Größenordnung die Partei. Ich schließe mich ihnen an.
Viele Mitglieder rufen auch nach einem Neuanfang und organisieren sich unter www.neustart2015.de. Ob es wirklich zu einer Neugründung im Sinne einer Wiedererrichtung der AfD der Gründungszeit kommt, steht aber noch dahin.“