Zuwachs im Bundestag Die Neuen sind da: Keiner will mit AfD-Leuten Bier trinken
Berlin/Stuttgart (dpa) - Sie haben schon in den Talkshows gestritten und in den Landtagen. In zwei Wochen trifft die AfD nun auch im Bundestag auf die Vertreter der von ihnen geschmähten „Altparteien“.
Dann sitzt die Grünen-Politikerin Claudia Roth im gleichen Saal wie Markus Frohnmaier. Das jüngste Mitglied der AfD-Fraktion hat nach den massenhaften sexuellen Übergriffen auf Frauen in der Kölner Silvesternacht gesagt: „Meiner Meinung nach haben Leute wie Claudia Roth hier mittelbar mitvergewaltigt“. Eine Bemerkung, die Mitglieder der Grünen schockierend fanden.
Bundestagsvizepräsidentin Roth will, dass sich die Abgeordneten aller Parteien für die politische Auseinandersetzung mit der AfD im Bundestag wappnen: „Wenn Worte benutzt werden, die in einem rechtsextremen Zusammenhang eine eindeutige Bedeutung haben, dann muss man das wissen.“
An die Adresse der AfD sagte sie: „Der Bundestag ist kein Jagdrevier für Menschen wie Alexander Gauland und keine Hetzbude.“ AfD-Fraktionschef Gauland hatte am Wahlabend mit Blick auf die künftige Bundesregierung gesagt: „Sie kann sich warm anziehen. Wir werden sie jagen.“ Roth sagte dazu: „Ich lasse mich weder jagen noch vertreiben, sondern ich sage: „Jetzt erst recht“.“
Zwar haben sich die AfD-ler seit der Wahl schon dreimal im Bundestag getroffen. Doch die Sitzungen der durch den Weggang von zwei Mandatsträgern auf 92 Abgeordnete geschrumpften Fraktion fanden in einem abgelegenen Gebäudeteil statt. Vertreter anderer Parteien liefen ihnen dort nicht über den Weg. Auch beim Mittagessen blieb man unter sich. Im Foyer vor dem Sitzungssaal wurde für die AfD-Abgeordneten ein kleines Büffet aufgebaut - mit Eintopf und belegten Brötchen.
Spätestens mit der ersten Plenarsitzung am 24. Oktober wird sich das ändern. Dass die Parlamentarier der anderen Fraktionen so wenig persönlichen Kontakt wie möglich wollen, haben schon die schwierigen Debatten darüber, wer im Plenum neben der AfD sitzen muss, gezeigt. Der politischen Auseinandersetzung mit der AfD will man aber nicht aus dem Weg gehen.
Die Abgeordneten der 13 Landesparlamente, in denen die Rechtspopulisten bereits vertreten sind, raten ihren Parteifreunden in Berlin, im Umgang mit den AfD-Abgeordneten höflich zu bleiben und gleichzeitig Distanz zu wahren. Und noch einen Hinweis geben sie ihnen mit auf den Weg: Es sei angesichts der persönlichen Angriffe und - sprachlichen - Provokationen durch die AfD oftmals eine echte Herausforderung, sachlich zu bleiben.
In Sachsen gehört die Linke-Abgeordnete Juliane Nagel zu den liebsten Zielscheiben der AfD. „Juliane Nagel inzwischen völlig vernagelt?“ textete die AfD, um ihre Kritik an Nagels aus ihrer Sicht zu lässigen Haltung gegenüber „linkspolitisch motivierter Sachbeschädigung“ ausdrücken. Den Bundestagsabgeordneten empfiehlt Nagel, „eine kritische, zielgenaue Auseinandersetzung mit Initiativen der rechtspopulistischen Partei, klaren Widerspruch, wenn menschenrechtliche und demokratische rote Linien überschritten werden.“ Wichtig sei, „das theatralische Skandalisieren und den tatsächlichen Tabubruch gut auseinanderzuhalten“.
So wie die Linke in Sachsen, so sitzt auch die CDU im Thüringer Landtag mit der AfD auf der Oppositionsbank. Der Erfurter CDU-Fraktionschef Mike Mohring beschreibt sein Prinzip so: „Deutlich abgrenzen, aber nicht ausgrenzen.“ Er pflege mit den AfD-Kollegen einen geschäftsmäßigen Umgang, auf ein Bier würde er sich nicht mit ihnen treffen. Er sagt: „Ich grüße freundlich und das war's. Das mache ich auch mit Linken-Abgeordneten so.“
Mohring sagt, der Bundestag solle auf keinen Fall Regeln ändern, um die AfD herauszuhalten. „Einen normalen Umgang zu pflegen nimmt ihnen den Status, den sie gerne hätten, nämlich Märtyrer zu sein.“ Zu der Frage, wie man Populisten klein halten könne, gehöre auch eine ausreichende Debatte.
Albrecht Pallas, Innenexperte der SPD im sächsischen Landtag, sagt: „Die SPD-Fraktion springt nicht über jedes Stöckchen, reagiert aber sehr wohl klar und deutlich bei besonders krassen Provokationen.“
Der FDP-Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, Hans-Ulrich Rülke, plädiert für einen „formal korrekten“ Umgang. Gleichzeitig betont er: „An einem engeren persönlichen Kontakt ist mir aber - anders als zu den Vertretern der anderen drei Fraktionen - nicht gelegen.“ Die AfD mache alle anderen als „Systemparteien“ und „Altparteien“ verächtlich. Das gehe über den üblichen Streit hinaus. Sein Fazit: „Mit diesen Leuten muss ich kein Bier trinken.“