Die SPD auf der Suche nach neuen Erfolgsrezepten

Berlin (dpa) - Ja, versichert Sigmar Gabriel, er sei mit den SPD-Wahlergebnissen keineswegs unzufrieden: „Es überwiegen bei mir die lachenden Augen.“

Dass Kurt Beck in Rheinland-Pfalz einen dramatischen Einbruch von rund 10 Prozent zu verkraften hatte, schiebt der SPD-Vorsitzende am Tag danach schnell weg. Nach so einer langen Amtszeit seien solche Abnutzungen doch natürlich.

Auch die neue Farbenlehre in Baden-Württemberg scheint den SPD-Chef nicht groß zu stören. Er gönne den Grünen den Erfolg, schließlich hätten sie in den letzten Jahrzehnten immer an vorderster Front gegen die Atomkraft gekämpft. Eine „tektonische Verschiebung des gesamten Parteiensystems“ sei das aber bestimmt nicht, ist sich Gabriel ganz sicher. Dass die Grünen jetzt anstelle der SPD neue Volkspartei seien, „das sehe ich nicht so“.

Man werde jetzt besonders aufpassen, dass die Rollenverteilung im Südwesten nicht zum Dauerzustand wird, kündigt er an. Die SPD werde sicher auch künftig nicht zum „Grünenbekämpfungsverein“. Aber die klaren Unterschiede zwischen beiden Parteien dürften nicht versteckt werden, selbst wenn man gemeinsam in der Regierung sitze. „Die SPD muss weiter die ganze Gesellschaft im Auge haben“, lautet Gabriels Credo. Und sie müsse auch darauf achten, dass Deutschland insgesamt ein attraktiver Industriestandort bleibt. Für Baden-Württemberg heiße dies etwa, dass dort auch weiter teure Limousinen der Oberklasse produziert werden sollten „und nicht nur Smarts“.

Ansonsten versprüht der SPD-Vorsitzende nach der Sitzung des SPD-Präsidiums eine Menge Gelassenheit, was die Zukunft der eigenen Partei angeht. Wenig spreche dafür, dass der Japan-Faktor und die Atomdebatte auch noch bei den nächsten Wahlen den Ausschlag geben werden. „Gesundheit, Pflege, gerechte Löhne, alle diese Themen kommen bald wieder auf die Tagesordnung“, ist Gabriel überzeugt.

Doch allen reicht es nicht, darauf zu warten. „Wir dürfen zwar jetzt nicht in Panik ausbrechen“, rät Hessens Landesvorsitzender Thorsten Schäfer-Gümbel mit Blick auf das schwache SPD-Abschneiden. „Aber wir brauchen jetzt schnell programmatische Klarheit in der SPD“, fordert der Parteilinke. „Wir werden nicht mehr als Partei wahrgenommen, die die großen gesellschaftlichen Debatten führt.“

„Die Machtoptionen der SPD nehmen zwar zu. Was die Prozente bei Wahlen angeht, können wir sicher nicht zufrieden sein“, meint anders als Gabriel auch Schleswigs-Holsteins Landeschef Ralf Stegner. Andere Sozialdemokraten sehen die derzeitige Ausgangslage noch kritischer. Die meisten Menschen wüssten weiter einfach nicht, wofür die SPD eigentlich stehe. Die Quittung für diese mangelnde Attraktivität bekomme man deshalb bei Wahlen immer wieder zu spüren.

Ob sich daran schnell etwas ändert, ist eher zweifelhaft. Mit Rücksicht auf drohende neue Flügelstreitigkeiten vor den Wahlen sind klare Kursentscheidungen in der SPD bislang ausgeblieben. Immerhin hat die SPD-Spitze nun für Mai ein neues Finanz- und Steuerkonzept angekündigt, das einigen Aufschluss darüber geben wird, in welche Richtung sich die Partei bewegen will.

Auffällig lobt Gabriel am Montag dabei einen Parteifreund, der auf seinem Spezialgebiet meist etwas andere Vorstellungen hat als die SPD-Linke. Für den SPD-Chef spielt Peer Steinbrück, der in der letzten Woche im Bundestag sein Comeback feierte, bei Wirtschaft und Finanzen unbestritten in der politischen Champions League. Wenn es nach ihm gehe, solle der Ex-Finanzminister für die SPD deshalb „weiter im Rampenlicht stehen“, fügt Gabriel hinzu.

Ob dies ein erster öffentlicher Lockruf war, Steinbrück die SPD-Kanzlerkandidatur für 2013 anzutragen, blieb zunächst offen. Doch der in der Bevölkerung populäre Genosse hat bereits klargemacht, unter welchen Bedingungen er sich nur eine solche Rolle vorstellen kann: Die SPD müsse erst einmal ihren Kurs festlegen.