Grüne wollen neuen Politikstil

Berlin (dpa) - Der designierte grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, will mit einem neuen Politikstil auf alle Bürger zugehen. „Ich bin in erster Linie meinem Land verpflichtet, dann kommt irgendwann auch die Partei und meine Person auch ganz hinten“.

Er zitiere damit den Ex-Ministerpräsidenten Erwin Teufel (CDU). Der Grünen-Politiker fügte am Montag nach dem Wahlsieg mit einem grünen Rekordergebnis von 24,2 Prozent: „Wir werden eine Politik des Gehörtwerdens machen, eine Politik, die neue Schritte in die Bürgergesellschaft macht.“

Kretschmann kündigte außerdem mit Blick auf den scheidenden CDU-Regierungschef Stefan Mappus an: „Wir werden den konfrontativen Stil, der zu diesem Land auch nicht passt, beenden.“ In Baden-Württemberg habe „der Wähler eine politische Zäsur geschaffen. Es ist uns gelungen, nach 58 Jahren die CDU auf die Oppositionsbänke zu bringen“, sagte Kretschmann. „Wir werden versuchen, für alle ein offenes Ohr zu haben.“ Mit SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid werde er eine Koalition auf Augenhöhe führen, in einem sehr kooperativen Stil.

Grünen-Parteichefin Claudia Roth sagte: „In der Nacht habe ich geträumt, in Baden-Württemberg gibt's einen grünen Ministerpräsidenten, und dann wacht man auf, und dann ist es so.“ Roth, ihr Co-Parteivorsitzender Cem Özdemir und Fraktionschef Jürgen Trittin sprachen von „großer Verantwortung“. Özdemir sagte: „Die Erwartungen an uns sind immens.“ Nun müssten die Grünen „denen, die uns zum ersten Mal gewählt haben, eine Heimat geben“.

Co-Fraktionschefin Renate Künast sagte, die Grünen freuten sich. „Zeitgleich ist es auch wie Hanteln auf den Schultern.“ Für ihren Kampf um das Regierungsamt in Berlin nach der Abgeordnetenhauswahl im September spüre sie deutlichen Rückenwind.

Özdemir wertete die Ergebnisse auch als „klare Botschaft, dass die Leute den Atomausstieg wollen. Ich würde mir wünschen, dass CDU/CSU und FDP auf unseren Kurs einschwenken.“

Kretschmann kündigte einen freundlichen Kurs gegenüber ökologischen Unternehmen an. Den Umbau des Stromversorgers EnBW zu einem Konzern mit Schwerpunkt regenerative Energien wolle er zügig vorantreiben. Eine der ersten Aufgaben werde es sein, zu verhindern, dass Mappus noch die Aufsichtsräte bestelle. In der Bildungspolitik sei das Ziel, „dass wir den Bildungserfolg von der sozialen Herkunft entkoppeln“. Wo die Schließung weiterführender Schulen drohe, sollten Lösungen in Richtung Gemeinschaftsschule gesucht werden.

Im Konflikt um den Bahnhofsbau Stuttgart 21 kündigte Özdemir einen Stresstest unter Einbeziehung der Kritiker an. „Am Ende könnte man sich wiedersehen bei einer Volksabstimmung.“

Die Grünen sehen die schwarz-gelbe Bundesregierung stark geschwächt. „Sie kann nicht mehr regieren, ohne auf die Opposition und die Mehrheit der Länder zuzugehen“, sagte Trittin. Es gebe eine „solidere andere Mehrheit im Bundesrat“. Spekulationen über die Aufstellung eines Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2013 lehnte Özdemir ab.