Kopftuch-Verbot Diskriminierung oder nicht?

Luxemburg (dpa) - Samira A. und Asma B. waren ganz normale Arbeitnehmerinnen - wäre da nicht das Kopftuch. Beide hat es den Job gekostet.

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A. verlor ihre Stelle als Rezeptionistin bei einer belgischen Sicherheitsfirma, B. die Arbeit als Software-Designerin in Frankreich. Unternehmen dürfen das Kopftuch am Arbeitsplatz verbieten, hat der EuGH am Dienstag in Luxemburg entschieden - aber nur unter bestimmten Bedingungen. Für Deutschland dürfte sich damit nach Einschätzung von Juristen nicht viel ändern.

Wie argumentiert der EuGH?

Zunächst prüften die Richter, ob „unmittelbare Diskriminierung“ vorliegt. Dabei würde jemand wegen seiner Religion schlechter behandelt, was verboten ist. Das nimmt der EuGH im Fall der Rezeptionistin Samira A. aus Belgien nicht an, weil es eine interne Regelung gab, die das Tragen sichtbarer Zeichen politischer, philosophischer oder religiöser Überzeugungen verbot. „Daher ist davon auszugehen, dass nach dieser Regel alle Arbeitnehmer des Unternehmens gleich behandelt werden“, so die Richter.

Ist damit die Sache klar?

Nicht ganz. Relevant ist noch, ob ein Kopftuchverbot zu „mittelbarer Diskriminierung“ führt. Dabei benachteiligen vermeintlich neutrale Vorschriften bestimmte Personengruppen. Dafür müsste es gute Gründe geben und die Umsetzung der Regelung angemessen sein. So sei der Wunsch von Firmen, gegenüber Kunden weltanschaulich neutral aufzutreten, gerechtfertigt, erläutert der EuGH - insbesondere, wenn die Vorgaben nur für Mitarbeiter mit Kundenkontakt gelten. Das belgische Gericht, das den konkreten Fall A. endgültig entscheiden muss, muss nun prüfen, ob ihr Arbeitgeber sie ohne zusätzliche Belastung an einem Arbeitsplatz ohne Sichtkontakt mit Kunden hätte einsetzen können.

Und wenn Kunden eine Mitarbeiterin mit Kopftuch ausdrücklich ablehnen?

Das allein reicht nicht, stellten die Luxemburger Richter mit Blick auf den Fall von Asma B. klar. Sie war entlassen worden, nachdem sich ein Kunde über ihr Kopftuch beschwert hatte. Der Wille des Arbeitgebers, einem solchen Kundenwunsch zu entsprechen, stelle keine „wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung“ im Sinne der EU-Antidiskriminierungs-Richtlinie dar. Damit sei vielmehr eine Anforderung gemeint, die „von der Art der betreffenden beruflichen Tätigkeit oder den Bedingungen ihrer Ausübung objektiv vorgegeben ist“, so die Richter. Nach früherer Rechtsprechung können das etwa Altersgrenzen für Piloten oder Feuerwehrleute oder körperliche Fähigkeiten für Polizisten sein.

Was bedeuten die Urteile für Deutschland?

„Die Urteile dürften für Deutschland gar nicht so große Auswirkungen haben, weil die Gerichte hierzulande schon zunehmend streng sind, wenn es um Anforderungen an den Arbeitgeber geht“, sagt die Arbeitsrechtlerin Verena Braeckeler von der Kanzlei Simmons & Simmons. Ihre Kollegin Doris-Maria Schuster von der Kanzlei Gleiss Lutz meint: „Die Spielregeln werden jetzt klarer.“ In Zukunft könnten deutsche Firmen, die nach außen weltanschaulich neutral auftreten wollten, religiöse Symbole verbieten, sagt Nathalie Oberthür vom Deutschen Anwaltverein (DAV). In letzter Konsequenz hätte dies möglicherweise auch Auswirkungen auf Fälle, die den öffentlichen Dienst betreffen: „Wenn der Europäische Gerichtshof Firmen ein Recht auf Neutralität zubilligt, dann tut man sich schwer, dies dem Staat zu verweigern.“

Kommt dadurch der Laizismus durch die Hintertür nach Deutschland?

„Das mag sein“, sagt Arbeitsrechtlerin Oberthür.

Ist eigentlich jede Art von Ungleichbehandlung im Beruf verboten?

Nein. Diskriminierung wegen Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter oder sexueller Ausrichtung ist zwar laut EU-Richtlinie untersagt. Aber nicht jede Ungleichbehandlung muss diskriminierend sein. Arbeitgeber können etwa unter bestimmten Umständen Vorgaben zum Alter machen.