Dokumentation: Lammert-Rede
Berlin (dpa) - Nach Überzeugung von Bundespräsident Norbert Lammert wird mit Joachim Gauck als Staatsoberhaupt ein neues Kapitel in der deutschen Einheitsgeschichte geschrieben.
Der neue Bundespräsident werde von einer Woge der Sympathie getragen, sagte Lammert am Freitag in der Sitzung von Bundestag und Bundesrat.
Auszüge aus Lammerts Rede im Wortlaut:
... „Für mich ist es auch und gerade mit Blick auf die letzten Wochen ein Gebot der Redlichkeit wie der politischen Kultur, Christian Wulff nicht nur für manche nachwirkenden Initiativen und Impulse seiner Amtszeit als Bundespräsident zu danken, sondern zugleich auch für das, was er in drei Jahrzehnten politischer Arbeit für seine Heimatstadt, für Niedersachsen und für unser Land geleistet hat. (...)
Wir vereidigen heute den elften deutschen Bundespräsidenten, den ersten, der nicht aus dem Westen kommt und nicht direkt aus einem anderen hohen politischen Amt. Es zeigt den Fortschritt der inneren Einheit unseres geeinten Landes, den die meisten längst für selbstverständlich halten, dass Joachim Gauck das erste Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland ist, das in der DDR aufgewachsen ist. Zum Verständnis seines bisherigen öffentlichen Wirkens ist seine Erfahrung des Lebens unter den Bedingungen von Diktaturen nicht wegzudenken. Joachim Gauck weiß aus eigener Anschauung, was ein Leben in Gängelung, Bevormundung und Unfreiheit bedeutet - und was die Kraft der Freiheit vermag. (...)
Demokratie ist gerade kein Verfahren zur Vermeidung von Streit, sondern zur fairen Austragung unterschiedlicher Interessen und Meinungen. Auch ein Bundespräsident, der von einem großen Konsens getragen wird, kann den unverzichtbaren Grundkonsens für den legitimen Streit nicht alleine stiften und bewahren, ohne den es keine stabile und lebendige Demokratie gibt, aber er kann durch die Autorität des Amtes wie der Person wesentlich dazu beitragen. (...)
Lieber Herr Gauck, es ist gut, dass Sie gleich nach Ihrer Nominierung gesagt haben, Sie seien weder ein „Supermann“ noch „ein fehlerloser Mensch“. Das eine ist so beruhigend wie das andere. Mit diesem Bekenntnis, das vielleicht manche überrascht hat, haben Sie in Erinnerung gerufen, dass zu den notwendigen Voraussetzungen für die Übernahme einer politischen Funktion keine übermenschlichen Fähigkeiten gehören. (...)
Herr Bundespräsident, Sie werden getragen von einer Woge der Sympathie. Es ist Ihnen und Ihrem Amt zu wünschen, dass dies so bleibt, nicht nur am Beginn einer fünfjährigen Amtszeit. Die Erwartungen, die an das Amt gestellt werden, sind hoch. Und die Hoffnungen, die sich auf Ihre Person richten, sind vielleicht noch größer.“