Porträt Donald Trump - Rebell von Amts wegen
Washington (dpa) - US-Präsidenten machen Geschichte - das gehört zur Arbeitsbeschreibung für den Posten, der einst den Beinamen „Führer der freien Welt“ erhalten hatte.
Donald Trump, Nummer 45 im Oval Office, wird ebenfalls seinen Platz in der Weltgeschichte finden. Der Mann, der sich gerne - noch ganz Immobilienunternehmer - als Meister des Deals geriert, muss nach 16 Monaten im Amt noch nachweisen, dass er Großes zum Positiven hin bewegen kann.
Bislang hat er vor allem Schlagzeilen mit dem Zerstören des politischen Bestands erzeugt, kaum mit dem Aufbau von Neuem. Noch auf dem Weg nach Singapur zerfetzte er das eben erst erreichte Verhandlungsergebnis des G7-Treffens - und stellte damit den Sinn solcher Konferenzen überhaupt in Frage. Ausgerechnet Nordkorea soll nun der erste ganz große, internationale Erfolg werden.
Trump hat sich als politisches Gesellenstück eines der kompliziertesten Probleme der Weltdiplomatie ausgesucht. Er trifft sich mit einem Mann, den er noch vor Monaten als „Little Rocketman“ verspottet und dem er „Feuer und Zorn“ angedroht hatte.
Donald Trump, politischer Narziss, Golfspieler und Selbstdarsteller mit einem Faible für schöne Frauen, genießt es, wenn ihm seine Anhänger schon Wochen vor der Zusammenkunft mit Kim Jong Un in Singapur den Friedensnobelpreis zuerkennen wollen. Der Sohn eines deutschen Auswanderers liebt die große Bühne, Erfolg und Anerkennung - gemessen am Output seines Haussenders FoxNews - braucht er wie die Luft zum Atmen. Allein von den Bildern mit dem Nordkoreaner wird er wochenlang zehren.
Über die politische Substanz streiten sich Anhänger und Gegner des 71-Jährigen. Seine Sprecherin Sarah Sanders bezeichnet Trump als „einen der besten Verhandler überhaupt“. Ein solches Image hat er schon vor über 30 Jahren als Unternehmer aufgebaut, als sein Buch „The Art of the Deal“ auf den Markt kam. Heute wirkt Trump auf viele wie einer, der glaubt, früher sei alles besser gewesen. Früher, das sind bei Trump aber auch Gerüchte über Affären mit Prostituierten und Pornosternchen und den Umgang mit Oligarchen - ein Hauch von Halbwelt im Weißen Haus.
Der Schriftsteller Michael Wolff bezeichnete Trump in seinem Buch „Fire and Fury“ als „größten Hochstapler, der je im Weißen Haus gesessen hat.“ Trump selbst hält sich für einen großen Dealmaker. Ob das mit Nordkorea und Kim Jong Un etwas Fruchtbares werden kann, werde er in Singapur sehr schnell herausfinden. „Ich denke, das weiß ich innerhalb der ersten Minute.“ Niemals sei so etwas zuvor versucht worden, betont er immer wieder. Donald Trump, unter dem Mantel der Geschichte.
Kein Präsident vor ihm hat so offen gegen Freund und Feind geholzt wie Donald Trump, keiner hat seinen Partnern soviel abverlangt, sie so sehr und so offen herausgefordert. Dank Nato-Streits und Zoll-Debatte, dank der Austritte aus dem Pariser Klimaschutzabkommen und dem Atomdeal mit dem Iran, wegen des rüden Tons im Weißen Haus und des von vielen Verbündeten als Totalverlust an Verlässlichkeit empfundenen Politgebarens - Donald Trump hat die Welt auf den Kopf gestellt, hat scheinbar eherne Gesetze des gegenseitigen Umganges auf der Weltbühne außer Kraft gesetzt - so schnell und so rigoros, dass einige Verbündete es zunächst nicht glauben wollten.
Als hätte es dafür noch eines Beweises bedurft, eröffnet Trump den G7-Gipfel in Kanada quasi von Washington aus. Während die Partner unisono Trumps Zollpolitik kritisieren, schlägt er vor, Wladimir Putin wieder mit ins Boot zu holen. Am Ende beschließt er das Treffen mit einem Paukenschlag und zieht seine Einwilligung zur Abschlusserklärung zurück - ein Novum in der G7-Geschichte: Mehr Provokation geht nicht. „America First“ lautet das Motto nach innen, die dankbar angenommene Botschaft an die eigene Wählerschaft. Ob es gut ist, sich mit einem Despoten und mutmaßlichen Massenmörder wie Kim an einen Tisch zu setzen? - Nebensache.
Jeder gedachte Stinkefinger an das Establishment - egal ob im In- oder im Ausland - erntet dort Applaus. Trump spürt das intensiver als andere. Der Flurschaden ist ihm egal. Dass dieser angerichtet wurde, zeigen die Reaktionen von oberster Stelle. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron warnte jüngst in aller Öffentlichkeit, kein politischer Anführer sei von Ewigkeit. Man scheint das Problem Trump aussitzen zu wollen.
Der US-Präsident zieht seine Rechtfertigung aus dem Anders sein. Mit dem Motto, den politischen Sumpf Washingtons auszutrocknen, ist er angetreten. Für das politische Generalziel der Wiederwahl 2020 kommt alles gelegen, womit er dies untermauern kann.
Unzählige Republikaner vor ihm haben etwa eine Verlegung der US-Botschaft in Israel nach Jerusalem versprochen und haben dann aus Vernunftgründen davon abgesehen - Trump macht es. Er verhängt Strafzölle gegen Nachbarn und Partner, wie die Länder der EU. Er hetzt öffentlich mit ungewohnter Wortwahl - und er lässt hetzen, über ein immer größer werdendes Netz wohlgesonnener Medien, die er dem etablierten Journalismus entgegenstellt zu dem, was er selbst als „Fake News“ bezeichnet.
Nach 16 Monaten im Amt ist Donald Trump mehr denn je der Rebell von Amts wegen. Von den Vernunftpolitikern um sich herum hat er sich weitgehend getrennt: Rex Tillerson, der Außenminister, Gary Cohn, der Wirtschaftsberater, Herbert Raymond McMaster, der Sicherheitsberater - Trump ist die Mahner leid.
Der Präsident wird von Leuten, die ihn länger kennen, einerseits als guter Zuhörer beschrieben. Aber er sucht auch den geradlinigen Deal, komplexe Überlegungen mit Abwägung von Folgen und Folgen der Folgen sind ihm lästig. Er holte sich Falken wie Mike Pompeo und John Bolton in sein engstes Umfeld. Mit ihnen könne er besser die Politik verfolgen, die er eigentlich machen wolle, sagt Trump. Das ist wohl wahr, sehr zum Entsetzen im Rest der Welt.