dpa-Interview: Niersbach fordert zügigen Blatter-Rücktritt

Berlin (dpa) - Im Zuge der überraschenden Rücktrittsankündigung von FIFA-Boss Joseph Blatter stellte sich Wolfgang Niersbach in Berlin erneut den Fragen der Journalisten. Der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) will Blatters Rücktritt „beschleunigen“.

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Frage: Was halten Sie davon, dass Blatter bis zu einem Sonderkongress in einigen Monaten noch im Amt bleibt?

Antwort: Wenn ich das höre, dass ein außerordentlicher Kongress der FIFA erst im Frühjahr des kommenden Jahres stattfinden soll, dann sage ich spontan: Das ist äußerst problematisch, das so zu halten. Ich würde ganz klar dafür eintreten, diesen Prozess zu beschleunigen.

Frage: Waren Sie von Blatters Rücktrittsankündigung überrascht?

Antwort: Wir waren total überrascht, die Frage muss erlaubt sein: Was ist denn passiert zwischen den vier Tagen, in denen er gewählt wurde, bis zu seinem Rücktritt?

Frage: Was könnte ihn denn dazu bewogen haben?

Antwort: Ich darf, will und möchte da nicht spekulieren.

Frage: Ist es vielleicht auch mangelnder Gegenwehr der UEFA zuzuschreiben, dass es überhaupt zur Wiederwahl Blatters kam?

Antwort: Bei aller Kritik an der UEFA, die in diesen Tagen ja auch laut wurde, müssen auch ein paar Dinge zurechtgerückt werden. Wahr ist - und das nehme ich auch für mich persönlich ein Stück an - dass es der UEFA nicht gelungen ist, seit der Ankündigung von Sepp Blatter vor einem Jahr in Sao Paulo, für eine weitere Amtszeit zu kandidieren, eine klare Strategie und Konzeption zu entwickeln. Wahr ist aber auch, dass die UEFA als einziger Kontinentalverband letztlich drei Kandidaten nominiert hat. Denn wäre das nicht bis Ende Januar erfolgt, dann hätte Sepp Blatter überhaupt keinen Gegenkandidaten gehabt. Also, die UEFA hat deutlich gemacht: Wir wollen den Wechsel!

Frage: Könnten Sie sich vorstellen, Nachfolger von Blatter zu werden?

Antwort: Meine Priorität ist ganz klar - und da brauche ich die Position nicht zu ändern - der deutsche Fußball. Ich bringe mich aber sehr gerne mit meinem persönlichen Know-How und der Stärke des DFB ein. Aber es ehrt mich in gewisser Weise, wenn da mein Name fällt.

Frage: Wird es einen gemeinsamen Kandidaten der UEFA geben?

Antwort: Das kann ich jetzt noch nicht sagen. Das wäre wünschenswert, wie ich mir überhaupt wünsche, dass die 54 UEFA-Verbände als Einheit auftreten. Aber die Realität, das gehört auch zur Wahrheit, sieht ein Stück weit anders aus.

Frage: Was halten Sie von den Reformen, die Blatter in seiner verbleibenden Amtszeit noch anstoßen will?

Antwort: Wenn angekündigt wird, dass es einen Präsidentenwechsel geben soll, gehört das eigentlich auch zu den Aufgaben des neuen Chefs. Aber was dann genannt wurde, zum Beispiel der Integritätscheck zentral durch die FIFA, da habe ich überhaupt kein Problem mit. Auch, dass letztlich der FIFA-Kongress die Exko-Mitglieder wählt, damit habe ich genauso wenig ein Problem. Wenn aber dann auch noch gesagt wird, wir müssen das Exko verkleinern - da wurde beim Kongress noch gesagt, wir müssen vergrößern. Das ist schon ein wenig schwer, das zu verfolgen. Das sind aber Veränderungen, die dann bei einem Führungswechsel auf den Weg gebracht werden sollten, weil der neue Mann letztlich auch damit leben müsste.

Frage: Könnte David Gill ein geeigneter Kandidat für den Chefposten sein?

Antwort: Mit David Gill habe ich heute Morgen telefoniert. Seine Botschaft ist klar: Wenn es zu einem Präsidentenwechsel kommt, dann ist er im Exko wieder dabei, dann nimmt er sein Mandat an. Ich glaube aber nicht, dass er im Sinn hat, Präsident zu werden.

Frage: Wem trauen Sie denn den Chefposten zu?

Antwort: Ein starker europäischer Kandidat wäre gut. Ich sage auch ganz klar, dass ich es Michael van Praag zutrauen würde, weil er das mit seiner beruflichen Erfahrung und seiner Seriosität könnte. Er hat ja auch gesagt, wenn, dann macht er das für vier Jahre. Ich weiß aber zur Stunde auch nicht, ob Michael noch mal bereit ist, einzusteigen.

Frage: Müsste nicht die ganze Struktur der FIFA verändert werden, um wirkliche Reformen auf den Weg bringen zu können?

Antwort: Wenn die Verfehlungen ganz hoch anzusiedeln sind, dann werden sie noch problematischer. Eine der größten Enttäuschungen ist Jeffrey Webb. Er ist im April erst für vier Jahre als CONCACAF-Präsident wiedergewählt worden. Sein Vorgänger Jack Warner hatte einen mehr als zweifelhaften Ruf. Und mit ihm verband man die Hoffnung, dass in diesem Raum der Welt auch Seriosität einzieht. Wenn dann jetzt so kurze Zeit später feststeht, dass auch er - auf gut Deutsch gesagt - in die eigene Tasche gewirtschaftet hat, ist das abgrundtief enttäuschend.