dpa-Interview: Zschäpe will „noch einmal in Freiheit kommen“
München (dpa) - Der Münchner Anwalt Yavuz Narin erhofft sich von der angekündigten Aussage der NSU-Angeklagten Beate Zschäpe Hinweise auf weitere Mittäter.
Er glaube nicht, „dass der NSU ohne Unterstützung eines Netzwerks und möglicherweise Nachrichtendienste in der Lage war, diese Taten zu begehen“, sagte der Nebenklage-Anwalt der Deutschen Presse-Agentur. Zschäpe wolle mit ihrer Aussage offenbar eine mildere Strafe erreichen.
Frage: Bisher schweigt Zschäpe. Jetzt kündigt sie eine Aussage an. Was vermuten Sie: Warum tut sie das?
Antwort: Frau Zschäpe ist sich im Rahmen der Beweisaufnahme bewusst geworden, dass Schweigen sie nicht weiterbringt. Sie wird meines Erachtens umfassend aussagen müssen, wenn sie eine besondere Schwere der Schuld vermeiden möchte. Sie möchte wohl erreichen, dass sie irgendwann noch einmal in Freiheit kommt.
Frage: Was erwarten Sie von ihrer Aussage?
Antwort: Wir erwarten Auskünfte über die Strukturen der terroristischen Vereinigung NSU, also über Mittäter und Unterstützer. Darüber hinaus glaube ich nicht, dass der NSU ohne Unterstützung eines Netzwerks und möglicherweise Nachrichtendienste in der Lage war, diese Taten zu begehen. Ich halte es daher auch für denkbar, dass Frau Zschäpe Auskunft über eine Verstrickung in Nachrichtendienste geben würde, wenn sie auf Strafmilderung hofft.
Frage: In der Anklage findet sich von all dem nur wenig. Wie könnte sich eine Aussage auf den Prozess auswirken?
Antwort: Uns geht es primär nicht um eine Bestätigung der Anklage, sondern um die Ermittlung der Wahrheit. Wenn Zschäpe dabei behilflich ist, dann könnte sie einen maßgeblichen Beitrag leisten. Das wäre ihr beim Urteil anzurechnen. Ich gehe davon aus, dass sie sehr viel weiß, auch über die Mordpläne. Eine Frage ist, ob sie ihr Wissen mit jemandem teilte und ob auch Nachrichtendienste davon erfuhren.
ZUR PERSON: Der Münchner Rechtsanwalt Yavuz Narin vertritt Hinterbliebene des NSU-Opfers Theodoros Boulgarides. Der Grieche war am 15. Juni 2005 in seinem Schlüsseldienst-Laden in München mit drei Kopfschüssen getötet worden.