Fragen und Antworten Ein „Deal“? Söders Attacke und Merkels EU-Reformpläne

Berlin (dpa) - Angela Merkel lässt sich den gewaltigen Druck, unter dem sie steht, nicht anmerken. Dabei läuft vieles gerade gegen die Kanzlerin.

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Und das erhoffte Entlastungsmanöver - eine Einigung mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron über eine umfassende EU-Reform - wird plötzlich zum neuen Zankapfel. Durch eine Verquickung mit dem unionsinternen Asylstreit in Deutschland. Was steckt hinter den Vorschlägen und der scharfen CSU-Kritik daran?

Was bringt die CSU so auf die Palme?

„Wir können jetzt nicht zusätzliche Schattenhaushalte auf den Weg bringen“, sagt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Es könne nicht sein, dass die Kanzlerin versuche, andere europäische Länder mit finanziellen Zusagen zu einer Zusammenarbeit in Asylfragen zu bringen. Denn parallel läuft die CSU-Frist bis Ende Juni, in der Merkel bilaterale Abkommen mit EU-Staaten wie Italien abschließen will über die Rücknahme bereits bei ihnen registrierter Flüchtlinge. Sonst will Innenminister und CSU-Chef Horst Seehofer gegen ihren Willen solche Flüchtlinge an der Grenze abweisen lassen - auch wenn völlig unklar ist, wo sie hinkönnen. Ein Ende der großen Koalition von CDU/CSU und SPD läge dann nahe.

Planen Merkel und Macron einen neuen „Schattenhaushalt“?

Nein, Macron konnte sich hier nicht durchsetzen. Merkel war es bei der Verkündigung der Ergebnisse ihrer „Meseberger Erklärung“ wichtig zu betonen, dass das ab 2021 geplante neue Eurozonen-Budget im Rahmen der bisherigen Haushaltsstrukturen aufgestellt und kontrolliert wird. Sie hält sich damit an den deutschen Koalitionsvertrag, den die CSU mit beschlossen hat. Dort heißt es, man befürworte „spezifische Haushaltsmittel für wirtschaftliche Stabilisierung und soziale Konvergenz und für die Unterstützung von Strukturreformen in der Eurozone, die Ausgangspunkt für einen künftigen Investivhaushalt für die Eurozone sein können.“ Deutschland sei zu höheren Beiträgen bereit.

Warum soll so ein Budget kommen?

„Wir beginnen eine zweite Etappe im Leben unserer Gemeinschaftswährung“, betont Macron. Er war früher schon einmal Wirtschaftsminister und hat die enormen wirtschaftlichen Unterschiede als Knackpunkt für die Stabilität des Euros ausgemacht. Daher will er mit dem neuen Milliarden-Topf die Unterschiede zwischen den 19 Euro-Staaten mindern und bei Krisen mit raschen Maßnahmen gegensteuern. Gerade der Fall Griechenland hat gezeigt, was passieren kann, fast hätte das den Euro erledigt. Auch eine flächendeckende Stärkung der Arbeitslosenversicherungen ist mit Hilfe des neuen Instruments im Gespräch, damit sich bei schweren Krisen soziale Verwerfungen wie in Griechenland nicht wiederholen.

Wie groß soll der Investitionstopf werden?

Das muss noch verhandelt werden. „Wir sind uns nicht einig geworden“, sagt der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire. Frankreich würde gerne mit einem Budget von 0,2 bis 0,5 Prozent des jeweiligen nationalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) starten. Nach einem Betrag gefragt, nannte er 20 bis 25 Milliarden Euro als „guten Ausgangspunkt“. Macron schwebte zunächst ein Budget mit mehreren Hundert Milliarden Euro vor. Merkel hatte sich offen gezeigt für einen „unteren zweistelligen Milliardenbereich“. Für Deutschland entspräche ein Betrag von 0,2 Prozent des BIP etwa 6,25 Milliarden Euro. Nach den von der EU veröffentlichten Daten steuerte Deutschland zuletzt jährlich rund 23,2 Milliarden Euro für den Gemeinschaftshaushalt bei.

Woher soll das Geld kommen?

Das ist die große Frage. Hier könnte die CSU Merkel nach ihrem Asyl-Ultimatum neue Fesseln anlegen. Aber auch in Teilen der CDU wird der große neue Investitionstopf kritisch gesehen. Macron und Merkel sehen aber das europäische Projekt in Gefahr. Gerade die riesigen Unterschiede, die enorm hohe Jugendarbeitslosigkeit in strukturschwachen Regionen etwa in Süditalien werden als ein Grund für den Aufstieg rechtspopulistischer Bewegungen angesehen. Im deutsch-französischen Fahrplan steht: „Die Finanzmittel würden aus nationalen Beiträgen, zugewiesenen Steuereinnahmen und europäischen Mitteln kommen.“ Merkel will zum Beispiel Einnahmen aus der geplanten Finanztransaktionssteuer nutzen - aber ob die jemals kommt, ist sehr fraglich. Das könnte die nationalen Beiträge erhöhen. Wenn die CSU hier einen Riegel vorschiebt oder eine Finanz-Obergrenze einziehen will, hätte Merkel einen begrenzteren Verhandlungsspielraum.

Sind die Pläne die Vorbereitung eines „Deals“?

Auch wenn Bayerns Ministerpräsident Söder diesen Eindruck erweckt: Die Genese des Vorschlags stützt diese These nicht. Denn es ist Merkels Antwort auf Macrons im September 2017 gemachte Vorschläge, die Investitionsoffensive war zudem Teil des Koalitionsvertrags. Und in den zwei Wochen, die im Asylstreit bleiben, wird es beim Eurozonen-Budget keinerlei Detaileinigungen zu Volumen und Verteilung geben. Der Koalitionspartner SPD ist zunehmend genervt von den „Störfeuern“. „Niemand kann was dafür, wenn Herr Söder in den Koalitionsverhandlungen gepennt hat“, sagt SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel. Es geht aber scheinbar nicht mehr um die Sach-, sondern nur noch um die Machtfrage. Am Dienstag kommt es nun zum ersten Koalitionsgipfel - es könnte auch der letzte sein.