Schulz im Zentrum Ein Sozialdemokrat bestimmt den Aschermittwoch
Passau/Vilshofen (dpa) - Der traditionsreiche Politische Aschermittwoch in Niederbayern hat eine neue Hauptperson: Martin Schulz. Gut vier Wochen nach seiner Kür zum SPD-Kanzlerkandidaten ist Schulz auch im CSU-Heimatland allgegenwärtig.
Nicht nur als Hauptredner bei der SPD in Vilshofen, die extra ein Festzelt für 5000 Besucher hat aufstellen lassen. Auch bei der CSU im nahen Passau und bei den anderen Veranstaltungen in Niederbayern kommt keiner an dem Sozialdemokraten vorbei.
Er ist auch derjenige, an dem sich nicht nur CSU-Chef Horst Seehofer, sondern auch zahlreiche andere Redner abarbeiten. Schließlich hat Schulz den Bundestagswahlkampf spannend gemacht. Der österreichische Bundeskanzler Christian Kern von der SPÖ sagt als Gastredner der SPD unter dem Jubel Tausender Zuhörer schon voraus, nach der Bundestagswahl am 24. September würden „Österreich und Deutschland einen roten Bundeskanzler haben“.
Kern schaut in die Gesichter zufriedener Genossen, die danach ihren Kanzlerkandidaten und großen Hoffnungsträger erleben wollen. Martin Schulz hat zwar keine neuen Botschaften mitgebracht, dafür aber eine emotionale Rede. In einem leidenschaftlichen Plädoyer verspricht er mehr soziale Gerechtigkeit und kündigt einen entschiedenen Kampf gegen Rassismus und Ausgrenzung an, gegen „die Konjunkturritter der Angst, die aus Angst Hass machen“.
Die AfD nennt er eine „Schande für Deutschland“. Auch den US-Präsidenten Donald Trump überzieht Schulz mit Kritik: Wer andere Meinungen als Lügenpresse diffamiere, der lege „die Axt an die Wurzeln der Demokratie - ob er Präsident der USA ist oder in einer Pegida-Demonstration mitmarschiert. Beides ist nicht akzeptabel.“ Kanzlerin Angela Merkel und die CDU kommen in der Rede von Schulz kaum vor. Schulz spottet ein wenig über die „Zwangsehe“ von CDU und CSU und sagt unter Gelächter: „Die sind nicht mehr ganz beisammen.“
In Passau fordert Seehofer mit heiserer Stimme Geschlossenheit der Union im Wahlkampf gegen die SPD: „Das Bürgerliche muss jetzt aufstehen und kämpfen, gegen Rot-Rot-Grün.“ Für diesen Appell erntet er für Aschermittwochverhältnisse aber eher verhaltenen Applaus. Der Beifall ist einer der Indikatoren, die zeigen, wie gespalten die CSU auch nach dem Friedensgipfel mit der CDU Anfang Februar der CDU-Vorsitzenden Merkel gegenübersteht. Die Pfiffe bei der ersten Erwähnung Merkels nach 27 Minuten Rede sprechen eine ebenso unmissverständliche Sprache.
Während Seehofer Schulz nur selten und dann lieber als „den Kandidaten“ oder „Martin den Schummler“ erwähnt, fährt CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer mit Begriffen wie „Schizo-Schulz“ oder „Schwafel-Schulz“ zur Freude der Zuhörer schwerere Geschütze auf.
Seehofers Aufgabe ist es, die Kritiker in der CSU bei der Stange zu halten. Für den Fall, dass der eine oder andere christsoziale Wähler mit dem Gedanken spielt, sein Kreuz bei der Bundestagswahl am 24. September bei der AfD zu machen, malt Seehofer das Feindbild an die Wand: „Wer Rechtsaußen wählt, bekommt in Deutschland eine linke Regierung. Das ist zwingend, meine Freunde.“
Die AfD-Vorsitzende Frauke Petry macht bei ihrem Auftritt in Osterhofen keinen Hehl daraus, dass es ihr Debüt beim Politischen Aschermittwoch ist. Dann hält sie eine vom Blatt abgelesene Rede mit feinsinnigem Humor, mit Sarkasmus, mit leisen Tönen - aber ohne die für Aschermittwochs-Reden bekannten Haudrauf-Momente.
Erst arbeitet Petry sich an der Kanzlerin ab, indem sie alte Aussagen von ihr zitiert. Danach nimmt sie Schulz ins Visier und bezeichnet ihn als „Tagegeld-Erschleicher“ mit „krankhafter Selbstüberschätzung“. Kurz vor Ende ihrer Rede wird plötzlich alles ruhig. Petry hat das letzte Blatt ihrer Rede verloren - und damit auch den Schwung. Nach rund 24 Minuten ist sie durch mit ihrem Text, winkt den Gästen von der Bühne aus zu und erhält höflichen Applaus.