Fragen und Antworten Eine Bombe gegen „Kreuzfahrer“: IS hinter neuem Attentat?
Istanbul (dpa) - Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamiert den Terrorangriff von Manchester für sich. Brüssel, Nizza, Berlin - schon in der Vergangenheit hatten sich die Extremisten zu blutigen Attentaten in Europa bekannt.
Beobachter sehen darin eine Reaktion auf den Druck, unter dem der IS in Syrien und im Irak steht.
Ist der IS tatsächlich für den Anschlag verantwortlich?
Das lässt sich zunächst nicht eindeutig klären. Die Extremisten veröffentlichten ihr Bekenntnis über die üblichen IS-Kanäle im Internet. Die Sprache der Mitteilung - gefüllt mit religiösen Floskeln - entspricht früheren Erklärungen. Insofern kann sie als authentisch angesehen werden. Allerdings gibt der IS kein Täterwissen preis. Er spricht nur von einem Sprengsatz, der unter „Kreuzfahrern“ in einem „Gebäude für schamlose Feiern“ platziert worden sei. Weitere Details, die die Täterschaft des IS eindeutig belegen, fehlen jedoch.
Welches Motiv könnten die Extremisten haben?
Der IS bezeichnet den Anschlag als Rache und Antwort auf Angriffe gegen Muslime. Seine Gewalt richtet sich immer wieder gegen Staaten, die sich an dem US-geführten internationalen Bündnis beteiligen, das den IS in Syrien und im Irak bekämpft. Dort steht die Terrormiliz nach dem Beginn mehrerer Offensiven massiv unter Druck.
Schon in der Vergangenheit hat sich gezeigt: Je mehr der IS militärisch an Boden verliert, desto mehr setzt er auf Terror. Damit will er Stärke demonstrieren. Nur wenn die Terrormiliz Macht zeigt, ist sie für Anhänger und Sympathisanten attraktiv.
Ähnlich wie der Angriff auf den Pariser Konzertsaal Bataclan im November 2015 richtete sich das Attentat von Manchester gegen eine Einrichtung, die nach der radikalen IS-Lesart des Islam als Sündenpfuhl gilt. Zudem verfolgen die Extremisten das Ziel, ihre Gegner zu terrorisieren: Niemand soll sich irgendwo sicher fühlen.
Wie sieht die Lage für den IS in Syrien und im Irak aus?
Sowohl im Irak als auch in Syrien laufen Offensiven gegen die Terrormiliz, die in beiden Ländern riesige Gebiete verloren hat. Von ihrer bisherigen nordirakischen Hochburg Mossul kontrolliert sie mittlerweile weniger als zehn Prozent. Ihre Niederlage rückt näher. Der IS wäre damit militärisch im Irak weitgehend besiegt.
Im Norden Syriens sind von Kurden angeführte Truppen bis auf wenige Kilometer an die IS-Hochburg Al-Rakka herangerückt. Größere Siege konnten die Extremisten hingegen seit langem nicht mehr erzielen.
Wäre der IS nach einer Niederlage in den beiden Ländern besiegt?
Nein. Selbst wenn der IS militärisch eine Niederlage erleidet, wird er nicht so schnell verschwinden. Vielmehr ist damit zu rechnen, dass sich die verbliebenen Anhänger in Verstecke zurückziehen und einen Guerilla-Krieg beginnen - so wie er es die IS-Vorläufer früher schon taten. Die Zahl der Anschläge könnte dann sogar zunehmen.
Besiegt werden kann der IS nur, wenn die Wurzeln zerschlagen werden, aus denen er sich nährt. Im Irak fühlen sich viele Sunniten von der Mehrheit der Schiiten unterdrückt. In vielen Gebieten Syriens gibt es wegen des Bürgerkriegs ein Machtvakuum. Viele Sunniten paktieren lieber mit dem IS als mit der von ihnen gehassten autokratischen Regierung unter Präsident Baschar al-Assad.
Der Fastenmonat Ramadan steht vor der Tür: Ist mit weiteren Anschlägen zu rechnen?
Weitere Anschläge sind denkbar. Am Ende der Woche beginnt der Fastenmonat Ramadan. Die Extremisten glauben, dass sie für Attentate gegen „Ungläubige“ (Christen) oder „Ablehner“ des richtigen Glaubens (Schiiten) in dem für gläubige Muslime heiligen Monat einen besonderen Lohn Gottes erhalten. Schon in der Vergangenheit nutzten sie den Ramadan für Terrorserien.
Eine der blutigsten liegt nur ein knappes Jahr zurück: Ende Juni 2016 sprengten sich am Istanbuler Atatürk-Flughafen drei Attentäter in die Luft und rissen 45 Menschen mit in den Tod. Dann folgte die Horrornacht in Bangladesch, als bei einer Geiselnahme 28 Menschen starben. Schließlich detonierte in Bagdad eine gewaltige Autobombe und zerstörte ein Einkaufszentrum. Mehr als 200 Menschen starben.