Fragen und Antworten Eine Chance für die Diplomatie?

Paris/Damaskus (dpa) - Nach dem Militärschlag der Westmächte gegen Syrien soll wieder die Diplomatie aktiv werden. Das jedenfalls wollen Frankreich und Deutschland. Paris plant zunächst eine UN-Resolution.

Foto: dpa

Paris setzt auf einen umfassenden Vorstoß zu zentralen Fragen der Syrien-Krise: die Verhinderung des Einsatzes von Chemiewaffen, die vom UN-Sicherheitsrat geforderte Waffenruhe, humanitärer Zugang und politische Gespräche für eine Beilegung des Konflikts. Der vorgelegte Entwurf für eine UN-Resolution enthält aber keine wirklich neuen Vorschläge. So soll eine neue unabhängige Ermittlergruppe geschaffen werden, um Verantwortliche für Chemiewaffeneinsätze zu identifizieren - einen solchen Mechanismus hatten die Russen 2017 per Veto beerdigt.

Staatschef Emmanuel Macron will Russland und die Türkei mit an den Verhandlungstisch holen. Nach Überzeugung Macrons wird es in Moskau als Schwäche gewertet, wenn definierte rote Linien nicht durchgesetzt werden. „Er hat verstanden, dass das nicht mehr der Fall ist“, sagte Macron mit Blick auf Kremlchef Wladimir Putin. In französischen Kreisen heißt es: „Wir werden sehen, ob diese Schläge eine Dynamik in sämtlichen Aspekten der Lösung der syrischen Krise schaffen.“

Deutschland ist eine treibende Kraft und betont die Notwendigkeit, mit Russland ins Gespräch zu kommen. „Ohne Russland wird man diesen Konflikt nicht lösen können“, sagt etwa Außenminister Heiko Maas (SPD), der aber gleichzeitig Moskau in den vergangenen Tagen und Wochen „Aggression“ und „zunehmend feindseliges“ Verhalten vorwarf.

Die Rolle eines neutralen Vermittlers zwischen Russland und dem Westen wird Deutschland nicht einnehmen können. Berlin steht klar auf der Seite der drei Westmächte, die Syriens Regierung angegriffen haben. Aber vielleicht kann die Tatsache, dass Deutschland nicht dabei war, Türen nach Moskau öffnen, um Gespräche anzubahnen.

Seit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump ist seitens der USA nicht eine einzige diplomatische Initiative bekannt. Wenn Trump sich zu Syrien äußert, lobt er das Militär oder greift andere Beteiligte an. Der einst strahlende diplomatische Apparat der Supermacht ist massiv geschwächt. Im UN-Sicherheitsrat gibt es seitens der USA keinerlei Bewegung. Syrien, so scheint es sich mehr und mehr herauszuschälen, das sollen bitte andere erledigen.

Die Möglichkeiten scheinen überschaubar. In Europa gelten Sanktionen gegen Russland nicht als Option, da dafür in der EU die nötige Einstimmigkeit fehlt. In Washington dagegen wurden für Montag neue Sanktionen gegen Moskau erwartet. Sie sollen Russland dazu bringen, sich zu bewegen und von Syriens Präsident Baschar al-Assad abzurücken - warum das diesmal anders sein sollte als bisher, ist fraglich. Trump, so die Forderungen, müsse konsequent nachsetzen in Syrien. Aber dafür bräuchten die USA eine konsistente Strategie. Sie haben sie nicht.

Französische Medien werfen die Frage auf, ob Macron durch sein Zusammenspiel mit den USA bei den Luftschlägen Kapital aufgebaut hat, mit dem er von Trump Zugeständnisse beim Atomabkommen mit dem Iran bekommen könnte. Macron besucht kommende Woche Washington. Allerdings reagierte das Weiße Haus doch sehr kühl auf Aussagen Macrons zur US-Linie beim Thema Syrien. Die USA wollten sehr wohl nach wie vor ihre Truppen so bald wie möglich aus Syrien abziehen, erklärte das Weiße Haus - ungeachtet anderslautender Aussagen Macrons.

Russland ist sehr skeptisch, auch weil es befürchtet, an Einfluss in der Region zu verlieren. Dennoch hält Moskau weiter an dem Tenor fest, zumindest nach außen hin kompromissbereit zu sein. Denn auch im Kreml ist man bemüht, den Konflikt nicht weiter eskalieren zu lassen.

„Wenn der Vorschlag vernünftige Elemente enthält, werden wir damit arbeiten“, sagte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow. Putin mahnte den Westen: Weitere Militärschläge gegen seinen Schützling, Syriens Machthaber Baschar al-Assad, würden die internationalen Beziehungen ins Chaos stürzen. Und auch daran dürfte Russland kein Interesse haben.

Schon seit Jahren verhandeln Syriens Regierung und Opposition immer wieder unter UN-Vermittlung in Genf. Trotz intensiver Bemühungen des UN-Syrienbeauftragen Staffan de Mistura blieben sämtliche neun Runden bislang erfolglos. Dem Diplomatem gelang es bisher noch nicht einmal, beide Seiten für direkte Gespräche in einen Raum zu bekommen.

Auch Verhandlungen der beteiligten internationalen Mächte brachten wenig Greifbares. Im November 2015 einigten sie sich in Wien auf die Bildung einer Übergangsregierung, die Ausarbeitung einer neuen Verfassung sowie freie Wahlen. Nichts davon wurde bisher umgesetzt.

Russland, der Iran und die Türkei verhandelten zudem separat in der kasachischen Hauptstadt Astana. Dort einigten sie sich unter anderem auf „Deeskalationszonen“. Die Kämpfe in Syrien gingen dennoch weiter.

Vor allem Syriens Regierung zeigt wenig Interesse an einer politischen Lösung. Ihr Chef-Unterhändler versuchte immer wieder mit allen Mitteln, die Gespräche in die Länge zu ziehen. Zu erklären ist das durch die militärischen Erfolge der regierungstreuen Truppen, die Verhandlungen aus der Sicht von Assad nicht notwendig erscheinen lassen. Weil die USA zudem zuletzt bei der Syrien-Diplomatie nur eine Nebenrolle spielten, fehlte ein Gegengewicht zu Russland.

Die bisherigen Erfahrungen geben keinen Anlass zu großem Optimismus. Trotzdem sei eine neue „diplomatische Initiative“ unabdingbar, sagt ein Diplomat. Notwendig seien aber kleinere und effektivere Formate. Auch die USA müssten sich aktiver als zuletzt einbringen.

Syriens Regierung kontrolliert wieder die zentralen Teile des Landes, darunter alle wichtigen Städte. Die Führung in Damaskus ist im Bürgerkrieg ein so starker Akteur, dass es ohne sie keine Lösung geben kann. Macron hatte im Sommer die Bereitschaft angedeutet, auch mit Assad-Vertretern zu sprechen. Der Pariser Außenminister Jean-Yves Le Drian sagte nach den Luftangriffen in einem Interview: „In unserer Strategie schließt die Wiederbelebung des politischen Prozesses mit ein, dass alle syrischen und regionalen Akteure teilnehmen.“