Luftschläge gegen Syrien Merkel: Militäreinsatz erforderlich und angemessen
Berlin (dpa) - Die Reaktion von Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ nicht lange auf sich warten.
Nur wenige Stunden nach dem Militärschlag der USA, Großbritanniens und Frankreichs veröffentlichte das Bundespresseamt eine schriftliche Erklärung der Regierungschefin, in der es vor allem auf zwei Wörter ankam: Der Angriff sei „erforderlich und angemessen“ gewesen. Merkel versicherte den Bündnispartnern damit die volle politische Unterstützung Deutschlands.
Das hatte sich in den Tagen vorher bereits abgezeichnet, ebenso wie der Verzicht auf eine Beteiligung der Bundeswehr. Militärisch außen vor, politisch voll dabei. So lässt sich die Haltung der Bundesregierung also zusammenfassen.
Wie erklärt die Bundesregierung diese zwiespältige Haltung?
Merkel weist darauf hin, dass die USA, Großbritannien und Frankreich als ständige Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen eine „besondere Verantwortung“ haben. Diese Argumentation ist riskant. Deutschland bemüht sich seit vielen Jahren um einen ständigen Sitz im wichtigsten UN-Gremium. Aktuell bewirbt sich die Bundesregierung um einen der wechselnden zehn Sitze in den Jahren 2019/20. Dabei argumentiert sie auch damit, dass sie bereit ist, auch militärisch eine besondere Verantwortung zu übernehmen. Das hätte sie in einem solchen Fall zeigen können.
Wollten die drei ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats Deutschland vielleicht gar nicht dabei haben?
Das ist schwer vorstellbar. Eine Anfrage nach militärischer Unterstützung soll es von den Verbündeten zwar nicht gegeben haben. Hätte Deutschland dabei sein wollen, hätten sie aber mit ziemlicher Sicherheit auch nicht Nein gesagt. Denn die Symbolik spielt bei diesem Militärschlag eine ganz entscheidende Rolle: Der Westen will damit ein möglichst starkes Zeichen gegen den Einsatz von Chemiewaffen setzen. Militärisch hätten die USA das auch alleine gekonnt. Ein Angriff im Bündnis hat aber eine deutlichere Signalwirkung.
Wäre die von Materialproblemen gebeutelte Bundeswehr überhaupt militärisch in der Lage gewesen, sich zu beteiligen?
Ja. Bei allen Materialproblemen hat die Bundeswehr immer noch eine Luftwaffe, die Angriffe fliegen kann. Die „Tornado“-Jagdbomber können mit Marschflugkörpern bewaffnet werden, die eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern haben. Sie könnten diese also auch außerhalb des syrischen Luftraums abschießen. So haben offenbar auch die britischen Kampfflieger bei dem Angriff agiert. Außerdem sind in Jordanien „Tornado“-Aufklärungsjets stationiert, die Bilder für die Auswahl von Zielen hätten liefern können. Das alles wäre aber nur mit Zustimmung des Bundestags möglich gewesen - was bei spontanen Einsätzen immer ein zeitliches Problem darstellt.
Ist die fehlende innenpolitische Unterstützung für eine Beteiligung an einem Militärschlag der eigentliche Grund für ein Nein zur militärischen Beteiligung?
Es ist auf jeden Fall ein entscheidender Grund. Merkel hat bereits am Donnerstag eine militärische Beteiligung ausgeschlossen, noch bevor eine endgültige Entscheidung über den Militärschlag gefallen war. Damit unterband sie von vorneherein eine innenpolitische Debatte, deren Ausgang mit großer Sicherheit ohnehin ein Nein gewesen wäre. Eine militärische Beteiligung wäre in den Koalitionsfraktionen im Bundestag - vor allem bei der SPD - wohl kaum durchsetzbar gewesen. In Umfragen (ZDF-Politbarometer und „Welt“-Trend) haben sich zudem rund 80 Prozent der deutschen gegen ein militärisches Eingreifen Deutschlands ausgesprochen.
Unterstützt Merkel das militärische Eingreifen der anderen aus Überzeugung oder aus Alternativlosigkeit?
Oberste Priorität hat für die Bundesregierung, dass sich der Westen in dieser Frage nicht auseinanderdividieren lässt. Bei einer Entscheidung der drei wichtigsten Nato-Partner für einen Militärschlag kam ein Ausscheren Deutschlands für die Bundesregierung deswegen nicht in Frage. Obwohl es auch das schon gegeben hat: 2011 bei den Nato-Luftangriffen auf Libyen. Ob Merkel den Militärschlag wirklich aus Überzeugung unterstützt, ist fraglich. Bisher stand sie militärischen Interventionen grundsätzlich skeptisch gegenüber.
Wie reagiert der Koalitionspartner SPD?
SPD-Außenminister Heiko Maas steht fest an der Seite Merkels, auch er sprach am Samstag in einer ersten Reaktion von einem „angemessenen und erforderlichen Signal“. SPD-Chefin Andrea Nahles blickte auf einem Landesparteitag in Niedersachsen nach vorne und pochte auf Verhandlungen mit Russland. „Dieses Sterben und Morden in Syrien wird nur beendet durch eine diplomatische Lösung mit Russland“, sagte sie.
Kann Deutschland bei der weiteren Suche nach einer diplomatischen Lösung denn eine wesentliche Rolle spielen?
Das wird schwierig. Bisher spielt Deutschland nur eine Nebenrolle bei den Versuchen zur Konfliktlösung. Über das Schicksal Syriens entscheiden in unterschiedlichen Gesprächsformaten vor allem die Länder, die direkt oder indirekt militärisch beteiligt sind, vorneweg Russland, der Iran und die Türkei, aber auch die USA, Saudi-Arabien und Israel. Vielleicht kann die militärische Zurückhaltung Deutschlands aber auch hilfreich sein, wenn es nun darum geht, den Gesprächsfaden zwischen dem Syrien-Verbündeten Russland und dem Westen wieder aufzunehmen.