Euro-Krise vorbei? Ex-Pleitekandidaten drängen an Märkte zurück
Frankfurt/Main (dpa) - Griechenland und Portugal feiern ihre Rückkehr an die Finanzmärkte. Investoren reißen sich regelrecht um die lange verschmähten Staatsanleihen der Länder.
Am Mittwoch sammelte Portugal erstmals seit drei Jahren wieder langfristig Geld bei Anlegern ein. Vor knapp zwei Wochen hatte Griechenland sein Kapitalmarkt-Comeback gegeben. Auch die angeschlagenen Euro-Schwergewichte Spanien und Italien erhalten so günstig frisches Geld wie seit Jahren nicht mehr.
Warum setzen Anleger wieder auf die Krisenländer?
„Sie leihen das Geld nur, weil die Europäische Zentralbank im Hintergrund bereit steht“, sagt Ex-Deutsche-Bank-Chefökonom Thomas Mayer im „Focus-Online“-Interview. Den Investoren sei nur wichtig, ob die Anleihe bedient und zurückgezahlt werde. Viele Anleger gehen davon aus, dass die Europartner, allen voran Deutschland, letztlich für die Papiere der Krisenländer bürgen. Zur Erinnerung: Die EZB hatte im Sommer 2012 angekündigt, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenländern aufzukaufen. Seitdem investieren internationale Anleger wieder verstärkt. Staatstitel aus Griechenland oder Portugal werfen in Zeiten niedriger Zinsen attraktive Renditen ab.
Was hat sich wirtschaftlich verbessert?
Die Lage ist trotz einiger Fortschritte weiter schwierig. Zwar scheint das Allerschlimmste überwunden, Portugal und Spanien sind nach jahrelanger wirtschaftlicher Dauer-Misere zumindest wieder auf Wachstumskurs. Auch für Griechenland sagen Ökonomen ein Ende der Rezession voraus. Andere Zahlen zeigen aber, wie deprimierend die Situation noch immer ist: In Griechenland und Spanien ist mehr als jeder Vierte arbeitslos, besonders betroffen sind Jugendliche.
Wie sieht es in den anderen Euro-Krisenländern aus?
Vor allem Irland, das sein Hilfsprogramm bereits abgeschlossen hat, wird von Brüssel und Berlin als positives Beispiel für erfolgreiche Strukturreformen hervorgehoben. Doch auch dort ist es bislang nicht gelungen, den immensen staatlichen Schuldenberg abzubauen. Am Arbeitsmarkt sieht es mit einer Erwerbslosenquote von über 14 Prozent ebenfalls nicht gut aus. Zudem schockierte Dublin vor kurzem mit Zahlen zum Wachstum. Im Gesamtjahr 2013 nahm es um 0,3 Prozent ab.
In Zypern fällt die Rezession indes wohl weniger schlimm als erwartet aus. Nachdem das Land zunächst von den Fehlspekulationen seiner Großbanken erdrückt zu werden drohte, stehen die Zeichen wieder auf Normalisierung. Bis Ende 2014 sollen die Kapitalverkehrskontrollen beendet werden. Die vielleicht größten Sorgenfalten treibt Experten derzeit Italien auf die Stirn. Die drittgrößte Euro-Volkswirtschaft ist hochverschuldet, hat ein chronisches Wachstumsproblem und gilt politisch als instabil.
Haben die Krisenländer ihre Haushalte wieder im Griff?
Trotz aller Einschnitte sind die Staatsschulden in den letzten Jahren weiter gestiegen. In Griechenland und Portugal liegen sie gemessen an der Wirtschaftsleistung deutlich über der kritischen Marke von 100 Prozent. „Die bestehenden Schulden abzubauen - das bleibt ein großes Problem“, sagt Christian Kremer vom Handelshaus X-Trade Brokers. „Investoren sehen jedoch keinen dringenden Handlungsbedarf, denn man weiß - die EU steht dahinter.“
Wie geht es weiter?
Das renommierte Wirtschaftsblatt „The Economist“ warnt bereits vor übertriebener Euphorie am Markt für Euro-Staatsanleihen. Kritiker sagen, nicht die gestiegene Kreditwürdigkeit, sondern das billige Geld der EZB und die Aussicht auf weitere geldpolitische Stützung hätten die Renditen vieler Länder auf Rekordtiefstände gedrückt. In Griechenland, Portugal und Spanien herrscht außerdem Deflation. Dadurch werfen die Staatspapiere für Investoren dort höhere Erträge ab. Während die mickrigen Zinsen in Deutschland von der Inflation nahezu komplett aufgefressen werden, sorgt der Preisverfall in den Krisenländern für den umgekehrten Effekt. Durch die negative Teuerungsrate übersteigt die tatsächliche Rendite den Nominalzins.
Warum ist Deflation so gefährlich?
Das sinkende Preisniveau erschwert den Schuldenabbau. Weil die Wirtschaftsleistung durch die Deflation weniger wert ist, müssen die Länder einen höheren Teil davon aufwenden, um Rechnungen bei Gläubigern zu begleichen. Volkswirte sprechen von einer „Schulden-Deflation“. Ob die hochverschuldeten Staaten negative oder auch nur sehr geringe Teuerungsraten lange durchhalten können, wird von Ökonomen bezweifelt.
Deflation sorgt aber nicht nur dafür, dass die Schuldenlast unter Berücksichtigung der Preisentwicklung steigt. Sie kann auch zu einer konjunkturellen Abwärtsspirale führen, weil Unternehmen und Verbraucher auf weiter sinkende Preise setzen und deshalb Konsum und Investitionen aufschieben. Bislang kämpfen erst fünf der 18 Euro-Länder mit Preisverfall. Experte Gregory Claeys von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel sieht jedoch ein deutliches Risiko, dass die gesamte Währungszone in die Deflationsfalle gerät.