Hintergrund Europas Baustellen in der Flüchtlingspolitik
Luxemburg (dpa) - Der Flüchtlingsandrang hat die EU unter Druck gesetzt. Alles kommt auf den Prüfstand - die Asylregeln, der Grenzschutz, die Beziehungen zu den Herkunftsländern. Ein Überblick:
MIGRATIONSPAKTE: Insbesondere mit afrikanischen Herkunfts- und Transitländern strebt die EU so genannte Migrationspartnerschaften an. Die Staaten sollen sich verpflichten, mehr gegen Migration zu tun und abgelehnte Asylbewerber oder andere Migranten leichter zurücknehmen. Die EU will helfen, die wirtschaftliche Lage zu verbessern - also die Ursachen der Migration angehen. Vom Willen zur Zusammenarbeit will die EU künftig auch die Vergabe von Entwicklungsgeldern und die Gestaltung der Handelsbeziehungen abhängig machen. Kanzlerin Angela Merkels Afrika-Reise ist in diesem Licht zu sehen, auch andere europäische Politiker reisen derzeit nach Afrika.
EU-TÜRKEI-PAKT: Im Südosten setzt Europa auf Abschreckung. Die Flüchtlingsvereinbarung mit der Türkei sieht vor, dass praktisch alle Migranten, die aus der Türkei auf die griechischen Inseln kommen, wieder zurückgeschickt werden. Für jeden zurückgesandten Syrer soll ein anderer Syrer legale Aufnahme in Europa finden. Das soll Migranten von der Reise abhalten. Obwohl die Ankunftszahlen mittlerweile deutlich gesunken sind, hat Griechenland bisher erst 643 Menschen in die Türkei gebracht - die Asylverfahren dauern lange. Im Gegenzug haben EU-Länder der Türkei bereits 1694 Syrer abgenommen.
MITTELMEER: Die relative Ruhe in der Ägäis lenkt den Blick erneut aufs Mittelmeer. In Italien kommen immer noch ähnlich viele Migranten an wie im vergangenen Jahr, zuletzt etwa 100 Personen pro Tag. Die laufenden Grenzschutzmissionen auf See hindern die Schlepper kaum. Der Chef der EU-Grenzschutzagentur Frontex, Fabrice Leggeri, berichtet vielmehr, dass die Schleuser noch mehr Menschen in Boote auf den Weg nach Europa setzen und den Tank gerade so voll machen, dass sie libysche Hoheitsgewässer verlassen können. Danach werden die in Seenot geratenen Migranten dann von den Patrouillenschiffen gerettet. „Was können wir schon tun, wenn Menschen im Meer ertrinken?“, fragt ein EU-Diplomat resigniert.
ASYLREFORM: Nach den Dublin-Regeln soll sich im Prinzip jener Staat um Asylanträge kümmern, in dem ein Migrant erstmals den Boden der EU betreten hat. Die EU-Kommission will diese Regel zwar grundsätzlich beibehalten, aber Menschen aus überlasteten Staaten aber dennoch nach klaren Kriterien stärker in Europa verteilen. Die Minister dürften an diesem Donnerstag über die Pläne diskutieren. Fortschritte sind hier aber nicht absehbar, bei verwandten technischen Fragen schon eher.
FLEXIBLE SOLIDARITÄT: Mit der Solidarität tun die EU-Staaten sich schwer in der Flüchtlingskrise. Osteuropäische Länder wie Ungarn sperren sich etwa gegen die Pläne zur Flüchtlingsverteilung. Von bis zu 160 000 Migranten sind erst 6000 Personen aus Griechenland und Italien in andere europäische Länder umgesiedelt worden.
Mit der Slowakei hat gerade einer der Skeptiker für ein halbes Jahr den Vorsitz der EU-Länder - und den Begriff der „flexiblen Solidarität“ in die Debatte gebracht. Wer keine Flüchtlinge aufnehmen möchte, soll sich zum Beispiel stärker am gemeinsamen Schutz der Außengrenzen beteiligen. Auf konkrete Vorschläge, wie dieses Konzept umgesetzt werden könnte, warten die anderen Staaten aber bisher vergeblich.
GRENZ- UND KÜSTENSCHUTZ: Bei der Sicherung der Außengrenzen kommen die EU-Staaten leichter zusammen als beim Umgang mit Flüchtlingen, die bereits in Europa sind. Gerade einmal ein halbes Jahr haben sie gebraucht, um sich auf eine Stärkung der EU-Grenzschutzagentur Frontex zu einigen, die nun umgesetzt wird. Bis Anfang Dezember soll eine Personalreserve von 1500 Beamten aus EU-Staaten stehen.