Security Summit in Tel Aviv Experten warnen vor Cyber-Terror gegen Infrastruktur

Tel Aviv (dpa) - Die weltweite Bedrohung durch Cyberattacken wird nach Ansicht von Sicherheitsexperten noch deutlich unterschätzt.

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Auch im Hinblick auf den jüngsten Angriff mit Erpressungssoftware in Europa und den USA befinde sich die internationale Gemeinschaft in einem „Zustand der Hilflosigkeit“, sagte Wolfgang Ischinger, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, beim MSC Cyber Security Summit 2017 in Tel Aviv.

„Die Grenze zwischen Krieg und Frieden ist nicht mehr deutlich zu sehen“, sagte Ischinger auf der Tel Aviver Sicherheitskonferenz. „Wir sind Dauerangriffen ausgesetzt.“ In Zukunft werde Cyber-Kriegsführung in jedem militärischen Konflikt eine Rolle spielen. „Der Cyber-Geist ist aus der Flasche.“ Deutschland habe in dem Bereich großen Nachholbedarf und befinde sich gegenwärtig in einer „rasanten Aufholjagd“.

Es ist das erste Mal, dass die Münchner Sicherheitskonferenz gemeinsam mit der Deutschen Telekom die Veranstaltung in Israel abhält. Eine Gruppe von rund 120 Entscheidungsträgern, Akademikern und Führungspersönlichkeiten aus der Wirtschaft und dem Militär befasste sich mit dem Schutz von Infrastruktur in einer vernetzten Welt und der Verteidigung der Demokratie im digitalen Zeitalter.

Auch Thomas Kremer, Datenschutz-Vorstand bei der Deutschen Telekom, sieht in Deutschland großen Handlungsbedarf. „Cyberattacken betreffen alle, auch Privatleute“, sagte Kremer der Deutschen Presse-Agentur in Tel Aviv. Die Idee, dass die meisten Hackerangriffe aus Russland kämen, halte er aber für ein Stereotyp. „Angriffe kommen aus aller Welt.“ Oft könnten nur Geheimdienste herausfinden, wo sie letztlich ihren Ursprung haben.

Israel sei heute der Staat, der die neuesten Geräte im Bereich Cybersicherheit herstelle, sagte Kremer. „Noch vor Silicon Valley.“ Von einer Zusammenarbeit könne Deutschland profitieren. In Zukunft seien auch Terroranschläge von Hackern auf strategisch wichtige Infrastruktur wie Elektrizitätswerke und die Wasserversorgung zu befürchten, warnte Kremer. „Der Terror der Zukunft kann digitale Lebenslinien lahmlegen.“

Der israelische Sicherheitsexperte Amos Gilad sieht für die Zukunft eine ganze Reihe von Bedrohungen im Cyber-Bereich. „Die Angriffe sind geheim, hinterlassen keine Spuren und bedeuten eine immer weitreichendere und tiefere Bedrohung“, sagt Gilad. Er sieht die Notwendigkeit einer größeren internationalen Zusammenarbeit, auch zwischen Israel und Deutschland. „Wir haben dieselben Feinde.“ Er sehe „dunkle Zeiten“ vorher, in denen westliche Demokratien sich entschlossen verteidigen müssten.

Nach Angaben amerikanischer Geheimdienste sollen russische Hacker im Vorfeld der Präsidentenwahl in den USA Dokumente aus Computern der Demokratischen Partei gestohlen haben, die später über die Plattform Wikileaks veröffentlicht wurden. Dies habe die Öffentlichkeit gegen die demokratische Kandidatin Hillary Clinton eingenommen. Der Republikaner Donald Trump gewann die Wahl.

„Ich war schockiert darüber, was in den USA passiert ist“, sagte Gilad, früher Leiter der Abteilung für politisch-militärische Angelegenheiten im israelischen Verteidigungsministerium. Im Hinblick auf die in Deutschland anstehenden Bundestagswahlen sagte er, er sei beunruhigt über die Möglichkeit, „dass ein ausländischer Feind über die Wahl von Führungspolitikern entscheiden kann“. Deutschland sei Führungsmacht in Europa. Eine fremde Einmischung in deutsche Wahlen „könnte ganz Europa verändern“, warnte er.