Nach langem Abwägen Fahndung mit Missbrauchsfotos von Kindern als letztes Mittel

Wiesbaden (dpa) - Wenn es um Fälle von sexuellem Missbrauch kleiner Kinder geht, machen Ermittler bei der Fahndung nach den Tätern häufig eine bittere und traurige Erfahrung: Die Spur zu den Peinigern führt oft in das nahe persönliche Umfeld der Opfer.

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„Es ist ganz selten der Fall, dass sich die Täter einfach ein unbeteiligtes Kind aussuchen“, sagt Oberstaatsanwalt Georg Ungefuk von der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) in Frankfurt. Die Ermittlung der Täter gleicht dennoch oft einer Sisyphusarbeit. Gerade dann, wenn mit dem Missbrauch der kleinen Kinder die Verbreitung von pornografischen Bildern und Videos im Darknet einhergeht.

Die Kinderporno-Szene spielt sich nach Einschätzung der Ermittler mittlerweile überwiegend in diesem verborgenen Teil des Internets ab. Kinderpornografie-Plattform können zudem in allen Teilen der Welt installiert worden sein. Um sich in diesen Teilen des Internets bewegen zu können, ist eine spezielle Verschlüsselungssoftware nötig. Entsprechend technisch aufwendig und zeitintensiv ist auch die Arbeit der Cybercrime-Experten des Bundeskriminalamtes (BKA) - und stößt, wie bei der Suche nach einem missbrauchten vierjährigen Mädchen und dem Täter, auch an ihre Grenzen.

Hinweise auf den Fall hatte das Bundeskriminalamt zuvor von ausländischen Behörden bekommen: Im Darknet war ein Missbrauchsvideo aufgetaucht, bei dem im Hintergrund der Ton eines deutschen Fernsehprogramms zu hören war. Trotz aller technischer Kniffe gelang es dem Expertenteam nicht, eine Spur zu dem Täter zu finden. Weil die große Befürchtung bestand, dass das kleine Mädchen weiter dem Missbrauch ausgesetzt ist, ordnete das Amtsgericht Gießen auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft die öffentliche Fahndung mit Missbrauchsfotos des kleinen Kindes an. Die ZIT gehört zur Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main.

Vorausgegangen war ein intensiver Abwägungsprozess als letzte Maßnahme zur Identifizierung des Täters, wie eine BKA-Sprecherin sagt. „Das ist wirklich der allerletzte Weg.“ Auf den Missbrauchsbildern seien keinerlei Hinweise wie Spielzeug, Kinderkleidung oder Möbel gewesen, die einen Fingerzeig auf Täter und Opfer lieferten. Und da das gesuchte kleine Mädchen noch sehr jung war, kam auch eine flächendeckende Schulfahndung nicht in Frage. Dabei werden Lehrern Bilder der betroffenen Kinder gezeigt.

Dieses Vorgehen führte vor wenigen Monaten bei den Ermittlungen gegen die internationale Kinderpornografie-Plattform „Elysium“ zum Erfolg. Eine Volksschullehrerin aus Wien erkannte ein Missbrauchsopfer. Der Vater des Mädchens wurde festgenommen, weil er seine Tochter und ihren jüngeren Bruder über Jahre hinweg schwer sexuell missbraucht und dies auch noch gefilmt haben soll.

Bei dem Schlag gegen eine der größten internationalen Kinderpornografie-Plattformen im Darknet waren im Juli 14 Verdächtige festgenommen worden. Auf der 87.000 Nutzer zählenden Plattform „Elysium“ wurden Bilder und Videos ausgetauscht, darunter Aufnahmen schwersten sexuellen Missbrauchs. Die Opfer waren Kinder im Alter von zwei bis acht Jahren. Dass immer mehr Kleinstkinder unter den Opfern sind, ist für die Ermittler inzwischen keine Besonderheit mehr. Das Material in der Szene wird nach ihrer Einschätzung auch zunehmend aggressiver und härter.

Wenige Stunden nach der aufsehenerregender öffentlichen Fahndung wurde dann ein 24 Jahre alter Mann aus dem niedersächsischen Landkreis Wesermarsch gefasst - nach zahlreichen Hinweisen aus der Bevölkerung auf die Bilder. Der Mann mit deutscher Staatsangehörigkeit stamme aus dem persönlichen Umfeld des vierjährigen Kindes und sei „kein Unbekannter der Familie“, sagt Oberstaatsanwalt Ungefuk. Nähere Angaben zu dem Tatverdächtigen machten die Ermittler nicht. Er wurde am Montagabend ohne Komplikationen in einer Wohnung von der niedersächsischen Landespolizei festgenommen. Am Dienstag wurde Haftbefehl erlassen.

Der Tatverdächtige war zuvor nicht polizeilich oder aus der Kinderpornoszene bekannt. Die Auswertung der in seiner Wohnung sichergestellten Datenträger soll nun über die weiteren Ermittlungsschritte entscheiden.